Mehr Mobilität im ländlichen Raum – aber wie?

Mehr Mobilität im ländlichen Raum – aber wie?

Notizen für einen Vortrag von Hans-Gerd Öfinger, Initiative „Bahn von unten“, im Rahmen des Fachgesprächs „Die Zukunft des ländlichen Raums“ am 9. April 2011 in Verden


  1. Gleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land schaffen. Recht auf erschwingliche Mobilität für alle – für die Arbeit, Ausbildung, Versorgung, Freizeit, Kultur oder andere Zwecke – auch ohne Auto und unabhängig vom Einkommen. Wir sprechen von Armut auf dem Lande. Auch hier ist Mobilität für alle Teil der sozialen Frage und nicht nur ein Thema für „Verkehrsfreaks“. Es geht um Erhaltung des Erreichten und einen flächendeckenden Ausbau des ÖPNV. Grundsätze hierbei: Verkehr vermeiden, Verkehr umweltgerecht gestalten, Autoverkehr verringern.

  2. Der Schienenverkehr ist und bleibt ein Rückgrat einer sozialen und ökologischen Verkehrsinfrastruktur für Personen und Güter. Über 175 Jahre nach der Inbetriebnahme der ersten Eisenbahn in Deutschland bleibt die Forderung nach energischem Ausbau der Schieneninfrastruktur ein wesentliches Kennzeichen einer linken Verkehrspolitik.

  3. Deutschland hat eine starke Tradition eines hoch entwickelten Eisenbahnwesens. Alte Trassen aus dem 19. Jahrhundert sind – vielfach ertüchtigt und elektrifiziert – nach wie vor im Betrieb und auch mit hohen Geschwindigkeiten befahrbar.
    Ein Blick auf die Netzkarten der vergangenen Jahrzehnte zeigt aber, dass es einen
    Abbau des Schienennetzes in verschiedenen Schüben gab:
    a) In der alten BRD wurden seit den 1960er Jahren unter dem Druck der Straßenverkehrs-Lobby zahlreiche Nebenstrecken stillgelegt.
    b) Bei der DR (Deutsche Reichbahn in der Ex-DDR) erfolgte in den frühen 1990ern mit der Stillegung zahlreicher Strecken eine „Anpassung“ an die BRD (alt).
    c) Abbau von Strecken und Netzkapazitäten (Weichen, Überholgleise etc.) als Folge des Einstiegs in den Privatisierungsprozess mit der Umwandlung von Bundesbahn und Reichsbahn in eine Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn AG) Anfang 1994.

  4. Die schrittweise Privatisierung und Zergliederung bzw. Zerschlagung der Deutschen Bahn AG ab 1994 sollte nach den Versprechungen der Privatisierungsbetreiber den Eisenbahnverkehr stärken und den Anteil der Schiene am gesamten Verkehrsaufkommen deutlich stärken. Das Gegenteil ist eingetreten:
    a) Rückzug aus der Fläche im Personenverkehr, insbesondere im Personenfernverkehr: Der in den 1990er Jahren aufgebaute
    IR (Interregio) wurde wieder komplett vom Gleis genommen. Damit wurden ganze Regionen vom Personenfernverkehr abgehängt. In Niedersachen etwa Teile Ostfrieslands, Rotenburg (Wümme) und Buchholz. Den Menschen bleiben teilweise nur Regionalzüge mit Umstieg in den Fernverkehr an großen Knotenbahnhöfen. Teilweise gab es auch eine Umwandlung von IR- in IC-Züge mit entsprechend höheren Fahrpreisen.
    b)
    Konzentration auf den ICE-Fernverkehr. Die DB setzt einseitig auf extrem teure Neubaustrecken ohne Nutzen für die unmittelbaren Anwohner (Köln-Frankfurt, Erfurt-Nürnberg, Stuttgart 21 und Neubaustrecke nach Ulm, Y-Trasse in Niedersachsen). Zubringerdienste zu großen Flughäfen hatten und haben dabei Vorrang. Die Alternative zur einseitigen Konzentration auf Schnellstrecken ist der Ausbau/Ertüchtigung des gesamten Netzes – viele kleinere Baustellen statt weniger milliardenschwerer Mega-Projekte.

  5. Der Kahlschlag im Schienengüterverkehr ist seit Jahrzehnten eine Folge der Orientierung der Verkehrspolitik auf die Straße. All dies wird verschärft durch die Privatisierung und Zerschlagung des Eisenbahnwesens:
    a) Einstellung von
    Stückgutverkehr, der früher auch von vielen ländlichen Bahnhöfen aus gut funktionierte.
    b)
    MORA C (Marktorientiertes Angebot Cargo), ein Programm der Güterverkehrssparte DB Cargo (heute DB Schenker Rail) verordnete ab 2000 den Rückzug aus allen Bereichen, die nicht die geforderte Rendite bringen, und beschleunigte die Abkehr vom Einzelwagenverkehr und Konzentration auf lukrative Fernverbindungen mit langen Ganzzügen. Schließung zahlreicher Güterverkehrsstellen. Ganze Landstriche und viele Industriebetriebe wurden abgehängt, vor allem im ländlichen Raum. Konzentration auf große Industriestandorte. Regionaler Schienengüterverkehr findet weitgehend nicht mehr statt.
    c) Früher war die Eisenbahn auch ein
    Partner der Landwirtschaft. Es gab Spezialzüge und passende Einrichtungen etwa für Schlachtvieh, Zuckerrüben, Kartoffeln. Das wurde alles im Laufe der Jahrzehnte eingestellt. Der Transport läuft über die Straße.
    d)
    Früher bestand eine enge Verzahnung zwischen der staatlichen Post und der staatlichen Bahn. Die Posttransporte auf Fernstrecken erfolgten auf der Schiene. Zahlreiche Nachtpostzüge. Seit der Privatisierung 1994 setzt die Post fast vollständig auf Straße und Flugzeug. Die Post-Liberalisierung förderte das Vordringen privater Logistiker (etwa der aus der Privatisierung der niederländischen Post hervorgegangene TNT-Konzern) mit eigenen Strukturen, LKW- und Flugzeugflotten. Eine riesige Verschwendung von Ressourcen. Vielfach Prekarisierung und Dumpinglöhne, unterm Strich viel weniger Arbeitsplätze in der Branche. Eines haben Deutsche Post und Deutsche Bahn gemeinsam: Sie wollen den Weltmarkt erobern und hängen das flache Land ab (Schließung von Postfilialen und Demontage von Briefkästen). Ähnliche Tendenzen zeigt auch die privatisierte Deutsche Telekom, für die eine flächendeckende Breitbandverkabelung nicht rentabel ist.
    d) All dies bewirkt deutlich
    mehr Güterverkehr auf der Straße und weniger Lebensqualität für uns alle, die Beschäftigten und die Anwohner von Fernstraßen oder Ortsdurchfahrten. Von den gesellschaftlichen Folgekosten des Straßenverkehrs redet (fast) keiner.

  6. Ein Kahlschlag erfolgte auch bei den Bahnhöfen im ländlichen Bereich. Privatisierung soll Rendite bringen, daher auch Vermarktung der Immobilien und Verkauf von Bahnhöfen durch die DB, aber offenbar auch die niedersächsische OHE (Osthannoversche Eisenbahnen AG). Der komplette Abzug von Bahnpersonal aus den Bahnhöfen in der Fläche hinterlässt eine Servicewüste ohne kompetente, ausgebildete Fahrkartenverkäufer und Reiseberater, ohne persönliche Ansprache, Auskunft, das Gefühl von Sicherheit, Hilfe für Menschen mit eingeschränkter Mobilität beim Einstieg, touristische Information oder Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln. Neue Eigentümer der Bahnhofsgebäude wollen sich unter Umständen nicht durch den Bahnbetrieb stören lassen. In einem Fall in Niedersachsen hat nach Aussagen eines Kollegen der neue Eigentümer eines von der OHE erworbenen ehemaligen Bahnhofsgebäudes geklagt, weil Züge die Sicherheit seiner spielenden Kinder gefährdeten…

  7. Die zunehmende Liberalisierung im Logistikbereich hat viele nachteilige Folgen:
    a) In den letzten Jahren traten
    viele neue private Güterbahnen in Erscheinung; der Schienengütergüterverkehr ist zersplittert in über 160 größere und kleinere Unternehmen, es gibt zunehmend auch Leiharbeit. Private Güterbahnen nehmen vielfach auch Gelegenheitsaufträge an und springen manchmal auch kurzfristig ein, wenn der DB ein bestimmter Transport nicht passt.
    b) Darunter leidet auch die
    Streckenkenntnis der Lokführer. Die alten Staatsbahnen DB und DR achteten strikt auf Streckenkenntnis, geregelte Arbeitszeiten und Ablösung der Lokführer nach Ablauf der Höchstdauer. Nach dem jüngsten Unglück in Hordorf (Sachsen-Anhalt) wurde öffentlich bekannt, dass Lokführer bei privaten Güterbahnen oftmals viel weniger Ruhezeit und ungünstige Arbeitszeiten haben und übermüdet und überfordert sind. Das Problem kann etwa bei eingleisigen Strecken oder Bahnübergängen mit Blinklicht zur Katastrophe führen.
    c) So sind schwere
    Unfälle programmiert. Etwa die Explosion eines Güterzugs mit Gefahrgut in Viareggio (Toscana), die Anlieger in einem Stadtviertel in den Tod riss. In Peine verunglückte 2010 ein Güterzug, der dem Vernehmen nach aus einer Lok der Mittelweserbahn (MWB) und angemieteten niederländischen Waggons bestand. So etwas kann ein kompliziertes und unter Umständen extrem teures juristisches Nachspiel nach sich ziehen, wie es in Großbritannien schon längst üblich ist. Wer ist da letztlich verantwortlich? Früher gab es in jedem DB-Rangierbahnhof Wagenmeister, die jeden Zug gewissenhaft untersuchten. Heute wird dies tendenziell vernachlässigt. Stillstand ist schließlich ein Kostenfaktor. Es geht um Rendite. Mit den Aufgaben einer effektiven Kontrolle ist das Eisenbahnbundesamt (EBA) überfordert.

  8. Das Zauberwort „Wettbewerb“ im Personenverkehr ist vor allem eine neoliberale Kampfparole. Der Wettbewerb „soll es richten und der DB Beine machen“, so oder ähnlich sagen es auch die Grünen und viele andere.
    a) Im Personenfernverkehr beträgt der Wettbewerbsanteil bisher nur 1 Prozent. 99 Prozent betreibt nach wie vor die DB. Es ist eben ein langfristiges Geschäft und die potenziellen privaten Anleger sind risikoscheu. Manche großspurig verkündeten Fernverbindungen wurden nach ein paar Monaten wieder vom Gleis genommen.
    b) Private stehen allerdings Schlange, wenn es um den Zuschlag von ausgeschriebenen Leistungen im Regionalverkehr geht. Seit der „Regionalisierung“ des Schienenpersonennahverkehrs findet zunehmend ein Ausschreibungswettbewerb in den Ländern statt, denn staatliche Regionalisierungsgelder versprechen hohe Renditen ohne jegliches Unternehmerrisiko.
    c) In
    Niedersachsen ist dieser Wettbewerb, also die Verdrängung der DB Regio im Schienenpersonennahverkehr, schon sehr weit fortgeschritten. Hier sind Privatbahnen wie Metronom, Benex, Keolis/Eurobahn, Veolia/Nordwestbahn oder Abellio im Einsatz. Woher kommen diese Unternehmen und wem gehören sie heute? BeNex ist die Holding der (landeseigenen) Hamburger Hochbahn AG (HHA) für Verkehrsleistungen außerhalb Hamburgs. An BeNex ist der britische Fonds International Public Partnerships beteiligt. Keolis ist eine Tochter der französischen Staatsbahn SNCF und des AXA-Versicherungskonzerns. Veolia (früher Connex) ist ein französischer Konzern, der sich international mit der Privatisierung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge eine goldene Nase verdient hat und auch durch den aktuellen Film „Water makes money“ wieder einmal traurige Berühmtheit erlangt hat. Abellio, aus der Privatisierung eines Teils der Essener Verkehrsbetriebe hervorgegangen, ist mit Hilfe der Banco Santander und der Bank of Scotland expandiert und wurde in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise von der niederländischen Staatsbahn NS/NedRail übernommen.
    d)
    Metronom, vor knapp zehn Jahren als Gemeinschaftsprojekt landeseigener Verkehrsbetriebe der Länder Niedersachsen, Hamburg und Bremen gegründet, galt über Jahre als Vorzeigemodell für eine gute und attraktive NE-(nicht bundeseigene) Bahn mit hoher Eisenbahnkompetenz und gewissenhaften Fachleuten an der Spitze, die ihren Auftrag ernst nahmen. Dann setzte der Prozess der Privatisierung ein. Die Hamburger Hochbahn holte über BeNex privates Kapital an Bord, die Metronom-(Groß-)Mutter OHE wurde 2007 vom Land Niedersachsen für 14,3 Millionen Euro an Arriva verkauft, einen mit der Bahn- und Busprivatisierung gewachsen britisch-stämmigen Verkehrskonzern, der europaweit stark expandiert ist. Arriva ist in Deutschland seit 2002 vor allem durch die Übernahme ostdeutscher Regionalbahnen und die Übernahme (Privatisierung) von NE-Bahnen in Bayern und der OHE (Osthannoversche Eisenbahnen AG) sowie einige regionale Busunternehmen groß geworden. 2010 verkauften die Eigentümer Arriva an die Deutsche Bahn, die seit gut zehn Jahren weltweit expandiert. Die DB musste Arriva Deutschland aus Gründen des EU-Kartellrechts sofort wieder abstoßen. Dies rief Keolis und Veolia sowie ein Konsortium aus der italienischen Staatsbahn FS/Trenitalia und dem Luxemburger Fonds Cube auf den Plan. Deutsche Gewerkschafter und Betriebsräte warnten im Dezember 2010 vor der „Heuschrecke“ Cube. Gleichwohl bekamen FS/Trenitalia/Cube den Zuschlag. Informationen aus dem Unternehmen Metronom deuten darauf hin, dass ein massiver Renditedruck herrscht. Reisende berichten von Reinigungsmängeln, kaputten Türen und defekten Toiletten.
    e) Die Erfahrung mit BeNex/HHA hat auch in meinem Wohnort Wiesbaden Spuren hinterlassen. Die Übernahme eines Teils der kommunalen Busnetzes durch WiBus (Wiesbadener Busgesellschaft, ein Gemeinschaftsunternehmen der Stadt mit BeNex) löste Pleiten, Pech und Pannen aus. Als BeNex in die Hände eines australischen Finanzanlegers geriet, wurde die Sache selbst unserem CDU-Oberbürgermeister zu heiß. Er veranlasste die klammheimliche Rekommunalisierung von Wibus.
    f) Bei diesem beinharten Wettbewerb um den lukrativen ÖPNV geht es um die Eroberung des liberalisierten deutschen und europäischen Marktes. Wenn Private die Zerschlagung alter staatlicher Monopole wie der DB fordern, dann wollen sie in diesem Monopoly-Spiel selbst neue Monopole werden. Es kommt unweigerlich zur Konzentration und zum gegenseitigen Auffressen. An die Stelle staatlicher Monopole der Daseinsvorsorge treten neue private Monopole ohne die Möglichkeit demokratischer Kontrolle.
    g)
    Wettbewerb spielt sich vorwiegend über Lohnkosten ab. Dies fördert Lohndumping und die Ausgliederung von Tätigkeiten. Der Einsatz der Gewerkschaften für einen verbindlichen Flächentarif gestaltet sich schwierig. Neben gewerkschaftlichen Kampfmitteln sind auch politische Forderungen an die Länder und verbindliche Bedingungen für die Vergabe sinnvoll. Ein guter Lohn für Bahn- und Buspersonal, der zum Leben reicht, ist auch für die Sicherheit und die Qualität des Verkehrs entscheidend.
    h) Dass Privatbahnen im ÖPNV mit öffentlicher Hilfe im Grunde risikolos satte Renditen erzielen können, zeigt auch die Initiierung des niedersächsischen Fahrzeugpools. „Der Pool hat zu einer deutlich früheren Marktöffnung beigetragen. Mit diesem Instrument können Verkehrsleistungen und Fahrzeuge parallel ausgeschrieben werden. Hierdurch kann auch neuen, noch nicht in Niedersachsen tätigen Unternehmen durch die Bereitstellung der Fahrzeuge der Zugang zu diesem kapitalintensiven Markt eröffnet werden. Durch dieses Modell werden mögliche Finanzierungsrisiken, die sich aus der gegenüber den Verkehrsverträgen längeren Abschreibungsdauer ergeben, ausgeschlossen“, erklärte Landesverkehrsminister Jörg Bode am 13.04.2010.

  9. Privatisierung, Zerschlagung und „Wettbewerb“ im Schienenverkehr waren und sind ein Fehlschlag. Sie können und müssen wieder rückgängig gemacht werden. Das System Eisenbahn gehört in eine, nämlich die öffentliche Hand und muss demokratisch kontrolliert werden. Auch Winterchaos und Pannen der Bahnen sind eine Folge der Zerschlagung des Systems Eisenbahn und des Einsparens bei Mensch und Material unter Renditedruck.

  10. Weitere Perspektiven:
    a) Kürzung der Regionalisierungsgelder. Schuldenbremse. Kommunale Finanznot. Viele Projekte sind gefährdet. Drohende Qualitätsverschlechterung, Ausdünnung und Stilllegung.
    b) Bundesregierung beabsichtigt
    Fernbus-Liberalisierung. Dies untergräbt die Eisenbahn.
    c) Modellversuch
    Gigaliner – der Wahnsinn geht weiter.
    d) Weitergehende Zerschlagung droht durch
    radikale Liberalisierung im europäischen Eisenbahnwesen. Der Entwurf einer neuen Richtlinie der EU-Kommission sieht noch viel mehr Ausschreibungen, Ausgliederungen und die faktische Auflösung der großen staatlichen Eisenbahngesellschaften vor. Dies zementiert „britische Zustände“.

  11. Was tun? Anregungen für die Arbeit vor Ort (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
    a)
    Absoluter Vorrang für den Schienenausbau. Erhalt bestehender Eisenbahnstrecken, kein km darf umgewidmet werden. Trassen stillgelegter Strecken freihalten. Option einer Wiederinbetriebnahme nicht aufgeben. Es gibt positive Beispiele: Usedomer Bäderbahn (DB-Tochter), Kommunale Karlsruher Straßenbahn expandiert im Umland. Die aktuelle Initiative für die dauerhafte Erhaltung und Entwicklung der Eisenbahnstrecke Uelzen – Dannenberg ist zu unterstützen.
    b) Der
    ÖPNV gehört in öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle. Rekommunalisierung. Wiederverstaatlichung (der Post und Telekom, wie es auch die hessische LINKE fordert). Verzicht auf Börsengang der DB ML AG – daher Aufhebung des entsprechenden Bundestagsbeschlusses vom Mai 2008. Auch Untergliederungen und Kommunalpolitiker können und müssen dazu Stellung beziehen und darauf achten, welche Konzerne hinter den örtlichen Bahnen und Bussen stecken.
    c)
    Kein weiterer Bahnhofsverkauf. Wiederbelebung der Bahnhöfe mit qualifiziertem Personal (und nicht mit Ein-Euro-Jobbern, wie es die CDU-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder einmal vorschlug).
    d
    ) Es gibt bundesweit bereits viele kreative Ideen, Ansätze und Projekte: Rufbus, Flexibus, Ruftaxi, Car-Sharing-Angebote, Fahrgemeinschaften, Verleih von Fahrrädern.
    e
    ) Fahrpreise senken, Sozialtarife und andere Vergünstigungen – da bestehen schon viele Ansätze und Forderungen.
    f) Zur Orientierung:
    Nulltarif für Stadtbusse ist in einigen kleineren Städten bereits verwirklicht: Hasselt (Belgien), Aubagne und Compiegne (Frankreich). In Templin und Lübben (Brandenburg) wurden Modelle mit „fahrscheinfreien“ Stadtbussen trotz starken Zuspruchs unter dem Druck der kommunalen Finanznot beendet. Geblieben sind in beiden Städten aber niedrige Tarife: 60 Cent für die Einzelfahrt für Erwachsene in Lübben und 49 Euro für die Jahreskarte („Kurkarte“) in Templin (laut telefonischer Auskunft). In Frankreich gibt es je nach Region große Unterschiede in der Preisgestaltung für Busse (Bin schon für 1 Euro mit dem Bus knapp 100 km von den Pyrenäen bei Andorra bis Perpignan gefahren, demgegenüber kostete der private Linienbus von Nantes an den Atlantik über 13 Euro).

    g) Verkehr vermeiden, Verkehr umweltgerecht gestalten, Autoverkehr verringern. Bei der Erschließung von Bauland für Wohn- oder Industriegebiete sollte die Anbindung an das Straßennetz und an das Schienennetz sowie das ÖPNV-Netz vorgeschrieben sein.

  12. Punkte aus der Diskussion. Finanzierung.
    a) Ein sozialer und ökologischer ÖPNV kann betriebswirtschaftlich nicht kostendeckend sein. Das kann das Bildungswesen auch nicht. Auch die Bundeswehr nicht.
    b) Der Pkw-, Lkw- und Luftverkehr ist insgesamt defizitär und wälzt Jahr für Jahr Folgekosten in dreistelliger Milliardenhöhe auf die Allgemeinheit ab.
    c) Viele Familien auf dem Lande brauchen mehrere Autos (sofern sie sich das leisten können). Ein Auto kostet Monat für Monat mehrere hundert Euro, auch wenn es nur gelegentlich und für kurze Strecken gefahren wird. Zum Vergleich: Die heutige B
    ahnCard 100 (unbegrenzte freie Fahrt mit der DB) kostet nach DB-Angaben im Abo derzeit 350,- Euro monatlich.
    d) Unser Land ist reich und kann sich eine erschwingliche und ökologische Mobilität für alle leisten. Den 1,9 Billionen Euro Gesamtschulden der öffentlichen Hand (laut Schuldenuhr/Bund der Steuerzahler) steht ein Nettoprivatvermögen von 7,2 Billionen Euro (Reichtumsuhr DGB-Haus Frankfurt) gegenüber.
    e
    ) Bundes- und Landesregierungen betreiben seit vielen Jahren eine Politik der Umverteilung von unten nach oben. Alle seit 1998 von SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP getragenen Bundesregierungen haben durch Steuergeschenke an Großkonzerne und Vermögende der öffentlichen Hand Jahr für Jahr rund 50 Milliarden Euro entzogen. Die Kommunen dürfen diesen finanziellen Druck ab sofort nicht mehr an ihre Beschäftigten und Bürger weiter geben, sondern müssen gemeinsam mit Gewerkschaften und Sozialverbänden in örtlichen Bündnissen den Druck gegen die Finanzpolitik und den sozialen Kahlschlag auf Bundes- und Landesebene aufbauen.
    f)
    Dringend notwendig ist vor allem eine Umschichtung der bisherigen staatlichen Subventionen für den Straßenverkehr, Straßenneubau und Flughafenausbau. Diese Gelder müssen überwiegend für den Schienenverkehr und den ÖPNV eingesetzt werden. Dafür müssen sich die Kommunen über die Kommunalen Spitzenverbände gegenüber den Regierungen in Land und Bund einsetzen.

Verden (Aller), 9. April 2011
Hans-Gerd Öfinger, Tel. 0173.6528418 oder 0611.407653,
hgoefinger@aol.com
Rückmeldungen, Anfragen, Kritik und Anregungen sind immer willkommen.

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