Wettbewerb schadet dem Schienengüterverkehr

Redebeitrag von Alfred Lange in Brüssel am 31. Mai 2011 (*)

Ich bin Betriebsratsvorsitzender bei DB Schenker Rail in Frankfurt und erlebe dort schon seit Jahren den liberalisierten Markt. Sprich: den Wettbewerb, den Wettbewerbsdruck.

Dieser hat auf dem Weg hin zu immer mehr Kosteneinsparung in meinem Betrieb rund 400 Arbeitsplätze gekostet. Und zwar nicht hin zu anderen Eisenbahnen, sondern zur Verlagerung auf die Straße.

Weil der Wettbewerb nur um die lukrativsten Verkehre stattfindet, zu Lasten des personalintensiveren und weniger ertragreichen Einzelwagenverkehrs.

Der sogenannte Wettbewerb richtet sich immer gegen den Einzelwagenverkehr.

Steigender Kostendruck durch hohe Renditeforderungen führt zu Arbeitsplatzabbau, Leistungsdruck und Leistungsverdichtung. Zu mehr Risikobereitschaft in Sicherheitsdingen.

Da werden weltweit die „günstigsten“ Achsen für Güterwagen gesucht und eingekauft um dann, wie in Viareggio, als Unfallursache ausgemacht, unter enormem Kosten- und Zeitaufwand wieder ausgetauscht werden zu müssen.

Da werden immer mehr Züge nicht mehr durch gelernte Wagenmeister, sondern nur noch durch Wagenprüfer untersucht.

Da wird durch die Bundesnetzagentur wegen der Liberalisierung eine immer größer werdende Reglementierung in den Zugbildungsanlagen aufgebaut, die den Einzelwagenverkehr schon fast ins Mark treffen. Sämtliche Gleise und sonstigen Anlagen sollen minutiös, rund um die Uhr, für das ganze Jahr, zugeschieden werden, ohne gleichzeitig eine Garantie für die pünktliche Durchführung des Güterverkehrs zu geben.

Soll dann noch das Netz vom Betrieb getrennt werden, so wird ein weiterer unüberbrückbarer Graben in das System Eisenbahn geschlagen, der schon den heutigen Verkehr nicht abwickeln kann. Geschweige denn für zukünftiges Wachstum auf der Schiene die Grundlage bilden kann.

Entweder wird es dann nur noch die „kleine, feine“ Eisenbahn geben oder es herrschen die gleichen marktliberalen und radikalen Kräfte wie auf der Straße. Mit den gleichen Folgen: Staus, Unfälle und Todesopfer.

Auch die sozialen Bedingungen für die Beschäftigten würden sich schlagartig verändern. Es gäbe keinen konzerninternen Arbeitsmarkt mehr für Überhänge oder einsatzbeschränkte Mitarbeiter. Es gäbe dann nur noch den Weg zum Arbeitsamt.

Das Verhältnis von Festangestellten zu Leiharbeitnehmern würde sich sukzessive umkehren.

Auch dies wieder zu Lasten des Betriebsablaufes und der Betriebssicherheit.

Eisenbahn ist nun mal ein zusammenhängendes Gesamtgefüge, das sich nicht in marktradikale und profitorientierte Einzelteile zerlegen lässt, ohne dass es seine wirtschaftliche, gesellschaftliche, ökologische Aufgabe und Rolle verlieren würde.

Eine funktionierende Eisenbahn kann es nur im Ganzen geben und in Europa nur in einem partnerschaftlichen Miteinander.

(*) Hinweis: Wir dokumentieren diesen Redebeitrag, den der Kollege Alfred Lange aus Zeitgründen bei der Veranstaltung zum Recast in Brüssel am 31. Mai leider nicht in voller Länge halten konnte.

Interview mit Alfred Lange zur neuen Gewerkschaft EVG (pdf)

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