Unsere Anfänge

„Wenn es so weiter geht, sehe ich schwarz.”Dieser Gedanke überkommt wohl jede(n) von uns, der/die sich überlegt, was die Zukunft für uns und die Bahn wohl bringen mag. Da muss man noch nicht einmal ein ausgesprochener Pessimist sein.
So kann es in der Tat nicht weitergehen. Viele versuchen sich mit Distanz, Zynismus oder innerer Kündigung vor weiterem Schmerz zu schützen. Dies kann aber nicht die Lösung sein!

In der GdED hat sich mittlerweile erfreulicherweise einiges getan. Wir mausern uns endlich (versuchen es zumindest…) von der gemächlichen „mitgestaltenden” Co-Managerin der Privatisierung zur kämpferischen Gewerkschaft, die sich zu einer Gegenmacht zum Bahnmanagement entwickeln könnte.Diese Wandlung wird jedoch nur mit der Hilfe vieler mitdenkender und kämpfender Kolleginnen und Kollegen möglich und erfolgreich sein.

Lange wurden wir beruhigt nach dem Motto: „Wir handeln es für Euch aus”. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Schließlich kann die Gewerkschaft nur so kampfstark sein, wie ihre Mitglieder sie machen. Und Neumitglieder können wir am besten werben, wenn wir davon überzeugt sind, daß unsere Gewerkschaft auf dem richtigen Kurs ist.

„Die GdED hat doch die Privatisierung gewollt, nun sehen wir das Ergebnis…” So oder ähnlich äußern sich Kolleginnen und Kollegen, die aus der GdED austreten oder erst gar nicht eintreten wollen. Natürlich gibt es Trittbrettfahrer, die nur den Mitgliedsbeitrag sparen wollen und dafür eine Rechtfertigung suchen. Bei einigen Kollegen und Kolleginnen steckt jedoch ein ernstzunehmender, wichtiger Kritikpunkt dahinter. Die Gewissheit, dass unser ungutes Gefühl uns leider nicht täuscht, wird von Tag zu Tag konkreter.

Als die Kohl-Regierung die grosse Privatisierungswelle (Post, Bahn, usw.) einläutete, gab es viel Lob (vor allem von der FDP – wen wundert´s?) und die Ankündigung, dass nun „endlich” die verstaubten Behörden-Strukturen bereinigt und entrümpelt würden. Man verband diese Aktion mit positiv belegten Begriffen wie Effektivität, Leistung und Produktivitätssteigerung. Was steckt wirklich dahinter? Nichts anderes als neoliberale Politik, die darauf ausgerichtet ist, der Kapitalseite den Weg für neue Anlagemöglichkeiten und Renditen zu öffnen. Dabei werden die Filetstücke herausgetrennt (Zerstückelung in verschiedene Unternehmen), so dass die weniger profitablen für sich allein nicht überleben können. Diese werden dann als „Ballast” abgeworfen und drohen über kurz oder lang von den chronisch verschuldeten Gebietskörperschaften stillgelegt zu werden. Übrig bleiben nur die „schlanken” und profitablen Teile, die auch richtig Geld bringen (vor allem ICE- und andere Fernverkehrsstrecken).

Für viele von uns bedeutet dies aber: Wir bleiben auf der Strecke, und die Bahn als Ganzes wird gegen die Wand gefahren. Bestes Beispiel, wie diese Politik sich auswirkt, ist England. Da ist man mit der Privatisierung schon weiter.

Norbert Hansen hat neulich daran erinnert, dass die GdED ihren Teil zur Bahnprivatisierung beigetragen hat, weil die Politik damit Versprechungen verband: mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und Wettbewerbsverzerrungen entgegenzutreten. Diese Versprechen wurden bis zum heutigen Tage nicht eingelöst. Wir müssen sie aber konsequent einfordern. In Wirtschaft und Politik gibt die Auto- und Straßenverkehrslobby nach wie vor den Ton an.

1998 hofften viele Eisenbahner(inn)en auf eine Wende in der Verkehrs- und Bahnpolitik. Doch die neue Regierung, deren aktuelle Politik weder rot noch grün ist, beschreitet weiter den Weg der Privatisierung mit all ihren Begleiterscheinungen. Zuerst die Provokation mit den Eisenbahnerwohnungen – und jetzt der drohende Kahlschlag bei Arbeitsplätzen, Einkommen und Sozialleistungen in der (noch) bundeseigenen DB AG. Stück für Stück werden die von den Gewerkschaften erkämpften Errungenschaften der Nachkriegszeit demontiert.

Wir sind es uns und der nächsten Generationen schuldig, dass wir uns jetzt mit allen Mitteln wehren. Warum sollten zig Millionen Menschen, also die Mehrheit der Bevölkerung, akzeptieren, dass nicht zum Wohle der Allgemeinheit, sondern nur zum Wohle von Kapitalbesitzern und Börsenspekulanten entschieden wird? Weshalb sollten wir uns dieser Kapitallogik unterwerfen?

Die Lobby der Grossen scheut keine Geldkofferübergabe (siehe Eisenbahnerwohnungen), um das durchzusetzen, was ihren Geldinteressen nützt. Und wir? Wir kämpfen – den einsamen Kampf. Die Postler, die Stadtwerker, die Müllmänner, die Bahner jeweils für sich. Frei nach Martin Niemöller: Als sie die Stadtwerker holten, habe ich geschwiegen, denn ich war ja kein Stadtwerker. Als sie die Bahner holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

Nur wenn wir den Abwehrkampf koordinieren und bündeln, haben wir eine Chance. Nur so können wir verhindern, dass wir einzeln abgeschlachtet werden. Bisher ist dem angeblich „innovativen” Management nichts anderes eingefallen als Arbeitsplatzabbau. Lassen wir uns jedoch nicht mit „sozialverträglichem” Arbeitsplatzabbau abspeisen. Arbeitsplatzabbau ist nicht sozial und schon gar nicht für die nächsten Generationen verträglich. Weg ist weg. Wo sollen dann unsere Kinder einmal arbeiten?

Arbeitsplätze werden massiv abgebaut, und Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich wird von der Arbeitgeberseite offensiv bekämpft. Welche Zukunftsvorstellung soll dahinter stecken? Sollen dann die wenigen „Glücklichen”, die noch einen Arbeitsplatz haben, gefügig gemacht werden? Sollen wir sehenden Auges die soziale und Umweltkatastrophe akzeptieren, in die wir hineinrasen? Wenn wir so weitermachen, bleiben wir sehr bald regelrecht auf der Strecke.

Daher: Es ist höchste Eisenbahn! Passives Abwarten ist nicht angebracht. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren.

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

an dieser Stelle wirst Du Dir sagen: Schöne Schlagworte. Die Kritikpunkte kenne ich, aber was kann ich kleines Rädchen dagegen tun? Denke daran: ohne kleine Zahnrädchen kann auch die größte Maschine nicht laufen. Von nichts kommt nichts.

Es gibt viel zu tun:

· Mitstreiter(innen) überzeugen und organisieren!

· Wir brauchen eine kämpferische GdED! Schluss mit dem Schmusekurs gegenüber Bahn-Management und Bundesregierung!

· Anträge in die politischen Parteien hineintragen: dem Versprechen gleicher „Wettbewerbschancen” für die Bahn müssen endlich Taten folgen! Für eine radikale Wende in der Verkehrspolitik im Interesse von Mensch und Umwelt!

· Notbremsung für die Bahndeform – keine weiteren direkten oder indirekten Opfer! Wir haben genug Vorleistungen erbracht! Kein Lohnverzicht zum Ausgleich von Wettbewerbsverzerrungen, die eine verfehlte Verkehrs- und Unternehmenspolitik zu verantworten hat.

· Stopp der Zerstückelung der DB AG! Stopp der Jagd nach Kapitalmarkt- und Börsenfähigkeit und Rendite auf Kosten der Beschäftigten und sozial Schwachen!

· Schulterschluss mit anderen Opfern von Privatisierung und sozialem Kahlschlag! Gemeinsame Aktionen und Kampfmaßnahmen mit den betroffenen Belegschaften und Gewerkschaften!

Und nun? Ihr könnt …

· … diesen Appell durch Unterschrift unterstützen und weitergeben.

· … mit den Initiatoren in Kontakt treten.

· … Ideen- und Erfahrungsaustausch beginnen.

· … Informationen und Diskussionsbeiträge für die Homepage einsenden.

Stand: 28.04.2000

Erstunterzeichner(innen) dieses Aufrufs (in alphabetischer Reihenfolge):

Ines Aurin
(Stellv. Vors. BR DB Station&Service Thüringen)

Michael Baron
(Stellv. Vors. BR DB Station&Service Berlin/Brandenburg)

Holger Hanisch
(BR DB Station&Service Zentrale)

Alfred Lange
(BR-Vors. DB Cargo NL Frankfurt/Main)

Joachim Maurer
(BR DB Station&Service Zentrale)

Berthold Menebröcker
(BR-DB Reise&Touristik Zentrale)

Klemens Pietsch
(BR-Vors. DB Reise&Touristik Zentrale)

Herwig Radtke
(BR-Vors. DB Station&Service Thüringen)

Maria Clara Roque-Öfinger
(BR Vors. DB Station&Service Zentrale)

Erwin Scheifl
(BR-Vors. DB Regio Zentrale)

Torsten Uerz
(BR-Vors. DB Station&Service Rheinland-Pfalz/Saarland)