In Sachen Bahn nicht an einem Strang

Für den 8. November ruft die Europäische Transportarbeiterföderation zu Protesten gegen Bahnprivatisierungen auf.

Während EU-Kommission, Europaparlament und Monopolkommission auf eine rasche Zerschlagung und Privatisierung bisheriger StaAtsbahnen wie der Deutschen Bahn AG (DB) drängen, sind die Gewerkschaften von einem einheitlichen Widerstand so weit entfernt wie eh und je.

Die Europäische Transportarbeiterförderation (ETF) will am 8. November vor dem Brüsseler EU-Parlament gegen ein von Kommission und Parlament angestrebtes neues Richtlinienpaket zur beschleunigten Liberalisierung des Eisenbahnsektors protestieren. Das »Recast« genannte Paket soll Mitte November im Parlament beschlossen werden. Damit wird der Druck zur Aufspaltung bisheriger Staatsbahnen und strikten Trennung von Infrastruktur- und Transportgesellschaften erhöht. Dies entspricht der seit Jahren vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und weiten Teilen von Union, FDP und Grünen vertretenen Linie.

Kritiker sehen darin ein Rezept zur Schaffung britischer Zustände. Auf der Insel wurde die Staatsbahn British Rail Mitte der 90er Jahre zerschlagen. Weil dies als Fehler angesehen wird, fordern 71 Prozent der Briten die Wiederverstaatlichung und Zusammenführung der Einzelteile. Dies komme für den Steuerzahler wesentlich billiger, argumentiert die Gewerkschaft RMT unter Verweis auf eine neue Studie, die die Folgekosten des Wettbewerbs und der Subventionierung privater Unternehmen in Milliardenhöhe aufführt. Dass eine weitere Aufsplitterung des Eisenbahnbetriebs und zunehmende Konkurrenz einen reibungslosen Betriebsablauf immer mehr behindern, erfahren Eisenbahner auch in Deutschland tagtäglich.

Obwohl die Eisenbahnliberalisierung in Ländern wie Deutschland und Schweden schon weit fortgeschritten ist, geht dies manchen Hardlinern nicht weit genug. So verlangte die Monopolkommission, ein Beratergremium der Bundesregierung, jüngst die Auflösung des noch bundeseigenen Konzerns Deutsche Bahn AG (DB). Bei der Trennung »sollten die Transportgesellschaften des Konzerns eigentumsrechtlich privatisiert werden und die Infrastrukturunternehmen zunächst in Staatshand verbleiben«, so die Kommission.

Die Bahngewerkschaften reagierten darauf höchst unterschiedlich. »Unverständlich und falsch« sei die Forderung nach mehr Wettbewerb, weil dieser auf dem deutschen Schienennetz weit entwickelt sei und nachweislich kein Zusammenhang zwischen Trennung und Wettbewerb im Schienenverkehr bestehe, erklärte die DGB-Gewerkschaft EVG. »Ohne Trennung von Netz und Betrieb ist kein fairer Wettbewerb möglich«, meinte hingegen die Lokführergewerkschaft GDL und machte »erhebliche Wettbewerbsdefizite auf dem deutschen Schienennetz« aus. Die von der GDL beklagten »Diskriminierungen« beim Zugang zu Infrastruktur und Bahnstrom werden von der (DB) mit Verweis auf die Kontrolle durch die Bundesnetzagentur bestritten.

Die gegensätzlichen Positionen von EVG und GDL bringen erneut alte Reflexe und Differenzen zwischen den Gewerkschaften bei der Ausgestaltung einer möglichen Privatisierung zum Ausdruck. Beide beteuern, dass angesichts weltwirtschaftlicher Turbulenzen eine Kapitalprivatisierung nicht auf der Tagesordnung stehe. Doch während die EVG-Vorgängerorganisationen Transnet und GDBA sich früher mit einer Teilprivatisierung der kompletten DB-Holding abgefunden hatten, demonstriert die GDL mit ihrer Forderung nach Trennung seit Jahren Nähe zum BDI und den in Deutschland mitunter aggressiv auftretenden Privatbahnen. So ist für die GDL auch das »Recast« kein Thema, weil es nach ihrer Logik die gewünschte »Trennung von Netz und Betrieb« fördert. Daher dürfte bei der Brüsseler ETF-Demo wohl keine einzige GDL-Fahne zu sehen sein.

Während viele europäische Gewerkschafter traditionellerweise in der Sozialdemokratie ihren Ansprechpartner sehen, geben in der sozialdemokratischen Europafraktion zum Leidwesen der ETF in Sachen »Recast« die Trennungsbefürworter um die Italienerin Debora Serracchiani den Ton an. Einziger Bezugspunkt für die ETF scheint derzeit die europäische Linksfraktion GUE-NGL zu sein. Deren deutsche Abgeordnete Sabine Wils möchte mit einem Empfang für Bahngewerkschafter am 8. November im EU-Parlament den Schulterschluss demonstrieren.

Quelle/Erstveröffentlichung nd-online.de

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