Angriff auf das Streikrecht in Europa

Ähnlich wie seinerzeit bei dem in Gewerkschaftskreisen bekannten “Port Package” für die europäischen Seehäfen, will die EU-Kommission jetzt im Bereich der Eisenbahnen eine Richtlinie zur weiteren Deregulierung und Liberalisierung durchsetzen, die das Eisenbahnwesen weiter zersplittern und die Arbeitsbedingungen verschlechtern soll. Nutznießer wären wenige Großkonzerne, wie z.B. die Deutsche Bahn.
Aushebelung des Streikrechts
Eine große Brisanz hat die sogenannte “Einführung von Mindestdiensten im Fall eines Streiks”. Die Vorgabe, einen Mindestdienst einzuführen, greift unmittelbar in das nationale Streikrecht ein. Es ist nicht akzeptabel, dass über eine europäische Richtlinie Vorschriften eingeführt werden, die das nationale Streikrecht berühren. Das ist sogar rechtlich unzulässig, da das Streikrecht in einigen Mitgliedsstaaten Verfassungsstatus hat.
Neustrukturierung der Eisenbahnunternehmen
Die Kommission plant zugunsten eines europäischen Eisenbahnmarktes eine sogenannte “Entflechtung” der Eisenbahnunternehmen. Diese sollen Dienstleistungen als Unteraufträge an Tochtergesellschaften vergeben dürfen. Über diese Regelung wird den ausgegründeten Unternehmen Sozialdumping ermöglicht. Davon wären zum Beispiel die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in Instandsetzungswerken, Rangierbahnhöfen oder Terminals unmittelbar berührt. Der Weg für weitere Privatisierungen wäre frei gemacht.
Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte mit der Neustrukturierung des Eisenbahnsektors und anderer Netzwerkunternehmen haben gezeigt, dass diese Neustrukturierungen zu einer ständigen Verschlechterung der Situation der Beschäftigten geführt haben.
Liberalisierung der Betriebsabläufe
Die EU-Kommission will offensichtlich selbst in die Organisation des Eisenbahnsektors und der Betriebsabläufe mit der Gründung einer europäischen Eisenbahnaufsichtsbehörde eingreifen, um den diskriminierungsfreien Marktzugang im Eisenbahnsektor für Unternehmen zu sichern.
Der Richtlinienentwurf der Kommission zur Neufassung des ersten Eisenbahnpakets enthält 10 inhaltliche Anhänge, die nach Meinung der EU-Kommission über Rechtsakte geändert werden können. Weiterhin enthält der Vorschlag Ermächtigungen an die Kommission, Durchführungsvorschriften in zusätzlichen Bereichen zu erlassen. Dieses Vorgehen der Kommission ist zutiefst undemokratisch!
Die oben angeführte Kritik an der Neufassung des ersten Eisenbahnpakets entspricht den Hauptkritikpunkten des Europäischen Transportarbeiter Verbandes (ETF).
Wir werden als Abgeordnete der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament diese gewerkschaftlichen Positionen selbstverständlich in den Verkehrsausschuss einbringen. Aber die Debatte im Verkehrsausschuss von April bis Juli 2011 wird bei den vorhandenen Mehrheitsverhältnissen nicht ausreichen, um diese Richtlinie zu stoppen.
Außerparlamentarischer Druck wie beim “Port Package” ist notwendig!
Im Wesentlichen wird es darauf ankommen, dass die europäischen Eisenbahngewerkschaften, ähnlich wie die Hafenarbeiter beim “Port Package”, gemeinsam in allen EU-Ländern mobilisieren und in die Aktion gehen. Es wäre zu wünschen, dass sich die neue Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) – Verschmelzung der Gewerkschaft TRANSNET mit der Verkehrsgewerkschaft GDBA – in unserem Land zu einer Vorreiterin gemeinsamer europäischer Aktionen macht. Auch die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sollte sich in diese Auseinandersetzung einbringen. Die Hoffnung, dass die Auswirkungen des Eisenbahnpakets ausgerechnet an deutschen Lokführern vorbeigehen, dürfte trügerisch sein.
erschienen in “b&g“, März 2011

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