Internationale Konferenz gegen Liberalisierung und Privatisierung

Internationale Konferenz gegen Privatisierung im Januar 2011 in London

Internationale Konferenz im Januar 2011 in London

Mehr als 150 Vertreter von rund 40 Gewerkschaften aus ganz Europa waren zu dem von der britischen Bahn- und Verkehrsgewerkschaft initiierten RMT Treffen angereist. Erstmals kamen dabei Organisationen aus verschiedenen Dachverbänden und Traditionen zusammen. Die in Frankreich konkurrierenden großen linken Gewerkschaften CGT und SudRail waren dort ebenso vertreten wie der Weltgewerkschaftsbund WGB. Die Anwesenden einigten sich auf eine Abschlusserklärung.

RMT-Präsident Alex Gordon kritisierte aktuelle Pläne der EU-Kommission für eine weitgehende Liberalisierung des Eisenbahnsektors. Diese unterliefen Arbeitnehmer-Schutzrechte, Tarifverträge und Sicherheitsstandards. »Die EU setzt die neoliberale Globalisierung im Auftrag des Großkapitals um«, bekräftigte Athos Eleftheriou von der zyprischen Seeleutegewerkschaft Segdamelin.

Dabei ist die Situation schon jetzt in vielen Ländern mehr als unbefriedigend. In Schweden habe die Zerschlagung und Privatisierung der Bahnen Arbeitsplätze zerstört und die Sicherheit ausgehöhlt, berichtete Jörgen Lundström von der schwedischen Verkehrsgewerkschaft SEKO. Derzeit hätten nur 50 Prozent der schwedischen Bevölkerung Vertrauen in die Eisenbahn, »wahrscheinlich die 50 Prozent, die nie Zug fahren«, so Lundström: »Rollmaterial und Infrastruktur verkommen, Instandhaltung und Wartung werden auf ein absolutes Minimum beschränkt.« Ähnlich wie in Deutschland habe es auch in Schweden ein nie dagewesenes Winterchaos gegeben.

Verheerend auch die Lage in der britischen Seefahrt: Dort nutzten Fährunternehmen legale Schlupflöcher, um Gewerkschafter zu entlassen und durch Seeleute aus Übersee zu erstezen, die zu Hungerlöhnen arbeiteten, schilderte der bei der RMT zuständige Sekretär Steve Todd. »Viele verdienen weniger als zwei Pfund Stundenlohn.« Todd forderte stattdessen gleichen Lohn für gleiche Arbeit unabhängig von der Herkunft.

In Lateinamerika ist dagegen bereits eine Abkehr vom neoliberalen Diktum zu beobachten. Nachdem die Bahnprivatisierung dort zunächst zur Stilllegung zahlreicher Strecken geführt habe, hätten linke Regierungen mittlerweile das Eisenbahnwesen wieder verstaatlicht und aufgerichtet, erläuterte der aus Peru angereiste WGB-Vizegeneralsekretär Valentin Pacho.

Die Konferenz, die mit einer Gedenkminute für die Opfer des Zugunglücks in Oschersleben in Sachsen-Anhalt begonnen hatte, wurde von einem Rückschlag der Expansionsstrategie der Deutschen Bahn (DB) auf der Insel überschattet. Wenige Tage zuvor hatte die DB-Tochter Wrexham & Shropshire Railways den Personenverkehr zwischen Nordwales und London eingestellt und die Beschäftigten kurzfristig entlassen – für RMT-Generalsekretär Bob Crow nur ein weiterer Grund, um die Wiederverstaatlichung des fragmentierten Eisenbahnwesens auf der Insel zu verlangen, »mit hohen Qualitätsstandards und ohne Profitzwang«. Crow: »Wir wollen keine neuen Organisationen gründen, sondern gemeinsame Analysen und Strategien entwickeln, um eine Alternative zum kapitalistischen Chaos zu entwickeln.«

Zum Abschluss der Konferenz beschlossen die Gewerkschafter eine Resolution, in der eine europaweite Großdemonstration im Herbst 2011 angestrebt wird. Zudem soll eine mehrsprachige Website zur besseren Vernetzung auf allen Ebenen eingerichtet werden.

Höchste Eisenbahn!

Es ist ein Verdienst der britischen Verkehrsgewerkschaft RMT, dass sie im Kampf gegen Bahnprivatisierung und Lohndumping im öffentlichen Verkehrswesen Anfang dieser Woche erstmals Gewerkschaften zusammengeführt hat, die in unterschiedlichen Dachverbänden angesiedelt sind und sich aufgrund unterschiedlicher Traditionen bisher absolut nicht grün waren.

Die Briten waren die ersten Opfer der Zerschlagung und Privatisierung und können 1001 gute Gründe für die Wiederzusammenführung und Wiederverstaatlichung unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung anführen. Nun verheißen neue Pläne der EU-Kommission zur totalen Liberalisierung der Bahnen noch schärfere Angriffe auf Strukturen, Standards und Tarifverträge, die für manche Gewerkschaften existenzbedrohend sein könnten. Die EU-Politik bestärkt die europäischen Bahnen, allen voran die Deutsche Bahn und die französische SNCF, in ihrem rücksichtslosen Expansionsstreben. Beschäftigte, Fahrgäste, Sicherheit und Umwelt bleiben dabei auf der Strecke.

Dass europaweiter Widerstand möglich ist, zeigt der erfolgreiche Kampf europäischer Hafenarbeiter gegen die Absicht der EU-Kommission zur Liberalisierung der Arbeit in den Seehäfen (Port Package II). Unter Federführung der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft (ETF) war es 2005 und 2006 gelungen, mit europaweiten Streiks und einer Großdemonstration vor dem EU-Parlament massiven Druck auszuüben. So lehnte eine klare Parlamentsmehrheit das Port Package II ab. Was Hafenarbeiter schaffen, das kann und muss auch den Eisenbahnern gelingen.

Nun sind die deutschen Gewerkschaften am Zuge, die in London offiziell nicht vertreten waren. Ohne sie ist erfolgreicher europäischer Widerstand unvorstellbar. Die neue Bahngewerkschaft EVG muss sich endgültig von alten sozialpartnerschaftlichen Träumen lossagen. Dass sie sich jetzt gegen eine Privatisierung der Güterverkehrssparte DB Schenker stellt, ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem weitere folgen müssen. Und die GDL muss sich von der Beschränktheit eines Berufsverbands und der Illusion verabschieden, dass Liberalisierung und Privatisierung ihren Mitgliedern angeblich nichts antun.

Hans-Gerd Öfinger
(Erstveröffentlichung Neues Deutschland)

Abschlusserklärung der Konferenz

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