Bahnmanager wieder auf Börsenkurs

Konzern plant Teilprivatisierung von Tochterunternehmen. Offenbar will sich die Deutsche Bahn von Teilen einiger Gesellschaften trennen und sie an die Börse bringen. Die Arbeitnehmervertreter sollen zugestimmt haben.

Einen neuen Anlauf zur Teilprivatisierung will der Vorstand der bundeseigenen Deutschen Bahn AG (DB) am Mittwoch vom Aufsichtsrat absegnen lassen. Nach Medienberichten soll das Aufsichtsgremium in einer Sondersitzung über den von DB-Chef Rüdiger Grube vorgelegten Antrag abstimmen. Bis Herbst 2016 soll ein »detailliertes Umsetzungskonzept« für einen Börsengang der international operierenden Tochterfirmen DB Arriva und DB Schenker in drei Tranchen von 2017 bis 2019 vorgelegt werden.

Als Rechtfertigung dient die hohe Verschuldung der Bahn, die bis 2020 auf 22,2 Milliarden Euro ansteigen könnte. 1994 war der aus Bundesbahn (West) und Reichsbahn (Ost) gebildete Konzern schuldenfrei. Der Börsengang sei unvermeidlich, um Verbindlichkeiten abzubauen und eine in den letzten Monaten angekündigte »Qualitätsoffensive« im inländischen Schienenverkehr finanziell abzusichern, so die Manager. Sie erwarten Einnahmen von rund 4,5 Milliarden Euro. Beim Einstieg Dritter in Arriva und Schenker handele es sich um eine »Minderheitsbeteiligung« bis zu 45 Prozent, heißt es in einer vertraulichen Beschlussvorlage.

Damit setzt der Vorstand nach achtjähriger Pause wieder auf die Börse. Der letzte Ansatz zur Teilprivatisierung der für einen Börsengang gegründeten Tochterholding DB Mobility&Logistics AG war im Mai 2008 vom Bundestag abgesegnet worden. Den für Oktober 2008 geplanten Börsengang blies der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) angesichts der hereinbrechenden Wirtschaftskrise kurzfristig ab. Nun soll die Holding per Aufsichtsratsbeschluss aufgelöst werden.

Im Jahr 2010 hatten die auf einen Expansionskurs in der Verkehrs- und Logistikbranche orientierten Bahnmanager die Konzerntochter Arriva aufgekauft, die aus einem britischen Bus- und Bahnkonzern hervorgegangen und als Nutznießer von Privatisierung und Liberalisierung groß geworden war. Längst tragen europaweit von Italien bis Skandinavien und Portugal bis Polen Bus- und Bahnflotten das DB Arriva-Emblem. Der Logistiker DB Schenker gehört mit Flugzeugen, Schiffen und Lkw weltweit zu den »Global Playern« und hat mit Schienenverkehr eigentlich nicht viel zu tun.

Beobachter gehen davon aus, dass die Börsenpläne im Aufsichtsrat abgenickt werden und die Arbeitnehmervertreter im Gremium keinen Widerstand leisten. Dafür spricht, dass sich die Gewerkschaften EVG und GDL in ihren Publikationen zur Sache nicht äußern und somit ein stillschweigendes Ja signalisieren. Man werde den Plänen zustimmen, sofern die Auszahlung von Rendite »nicht zu Lasten der Arbeitnehmer« gehe und die Verkaufserlöse »im Unternehmen bleiben und nicht in den Bundeshaushalt fließen«, so ein EVG-Sprecher auf Anfrage. Dies lässt ahnen, dass eine Zustimmung der Arbeitnehmerbank eingefädelt ist. Die Forderung, die Erlöse nicht an den Bund abzuführen, ist nach Insiderinformationen bereits dem Bundesverkehrsministerium abgetrotzt worden. Martin Burkert, Vorsitzender des Bundestagsverkehrsausschusses und EVG-Vorstandsmitglied, war für Nachfragen nicht zu erreichen.

»Die Pläne für die Teilprivatisierung sind brandgefährlich, weil dann private Investoren Renditeinteressen direkt im Bahn-Konzern vertreten. Die Infrastruktur wird mit allen negativen Folgen noch mehr unter Gewinndruck gesetzt«, so die Abgeordnete Sabine Leidig (LINKE). Auch das privatisierungskritische Bündnis »Bahn für Alle« warnt vor einem Einstieg in die Privatisierung. Der unvermeidliche Renditedruck durch private Aktionäre werde den Schienenverkehr schwächen und etwa über den Einsatz von Gigalinern durch DB Schenker den Trend zur Verlagerung auf die Straße stärken, so »Bahn für Alle«.

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/1010700.bahnmanager-wieder-auf-boersenkurs.html

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