Peter Nowack (Bremen) meint:
Der Gewerkschaftstag wird über den Kurs entscheiden!

Betriebsräte sehen erheblichen Diskussionsbedarf

 

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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich halte es für dringend erforderlich, etwas klarzustellen:

Ich bin nicht der Meinung, dass der Beschluss der Betriebsräte in Karlsruhe
ein "Erfolg für die Initiative Bahn von unten" ist, wie er in den letzten
Tagen nach außen verkauft wird.
Ich bin auch nicht der Meinung, dass dieser Beschluss eine Meinungsäußerung
gegen unseren Vorsitzenden Norbert Hansen ist und ich halte gar nichts
davon, wenn negative Gerüchte und Hörensagen ("Norbert soll mit Rücktritt
gedroht haben", "Das Management stellt sich die Frage, ob Hansen noch
zuverlässig ist", usw.) als Fakten durch die Welt geblasen werden.
So etwas gehört sich nicht und ist eine Verdrehung von Tatsachen!!
Tatsache ist, dass sich die Bundesbetriebsrätekonefrenz dafür ausgesprochen
hat, dass die Entscheidung über die Haltung der TRANSNET zum Thema
Börsengang auf dem nächsten Gewerkschaftstag im November in Berlin
getroffen werden soll. Dies ist der wesentliche Teil der Abstimmung zum
Antrag. Und mit dem Abstimmungsverhalten hat die Konferenz keinesfalls alle
Inhalte des Antrags der Betriebsrätekonferenz Hessen/Rheinhessen voll
inhaltlich übernommen - dieser Teil der Debatte ist überhaupt nicht derart
geführt worden, dass darüber eine Wertung möglich ist.
Die stimmberechtigten Betriebsräte haben bestenfalls deutlich gemacht, dass
sie beim Thema Börsengang noch erheblichen Diskussionsbedarf sehen. Dieser
Bedarf ist auch nachvollziehbar, weil es erhebliche Ängste über die
Entwicklungen im Konzern nach einem Börsengang gibt. Ich selber habe
jedenfalls reichlich "Fracksausen" und schäme mich auch nicht, das
erkennbar zu machen. Schließlich muss ich am Ende der Geschichte den Kopf
dafür hinhalten, wenn es unseren Beschäftigten an den Kragen gehen sollte.
Doch diese Ängste liegen eher darin, dass ich nicht einschätzen kann, was
die Leute im Management der Bahn daraus machen, wenn sie die Möglichkeit
bekommen, das Unternehmen an die Börse zu bringen. Werden sie ob der
Aussicht auf kurzfristige Boni und dem daraus währenden ewigen "Reichtum"
handeln, oder wird am Ende doch eine Entscheidung getroffen, die einen
langfristigen Zusammenhalt des Konzerns ermöglicht?
Um die für uns günstigste Option zu erreichen ist eine Nähe zu den
Entscheidungsträgern und Einflußnahme unbedingt erforderlich. Diese
Tatsache würde ich auch nicht als "Schmusekurs" diffamieren.
Die Erfahrung lehrt uns, dass überall dort, wo weltweit
Arbeitnehmerbewegungen durch totale Ablehnung und Verweigerung von
Konsensgesprächen versucht haben, Entwicklungen zu verhindern, sie am Ende
jämmerlich gescheitert sind und dauerhaft an Einfluß verloren haben.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir nicht mehr in dem Deutschland
leben, wo man noch auf Arbeitnehmerinteressen Rücksicht genommen hat. Nach
dem Zusammenbruch des "real existierenden Sozialismus" hat sich das Bild
kräftig gewandelt.
Sollte wir ab dem Herbst 2006 mit einer "Kanzlerin" Angela Merkel leben
müssen, wird die "Eiserne Lady" aus England im historischen Vergleich dazu
eher als Putzfrau mit dem Staubwedel dastehen. Denn im Gegensatz zu den
politischen Verhältnissen seinerzeit regiert mittlerweile der enthemmte
Kapitalismus europaweit und ich persönlich sehe auch keine Wende zum
Besseren.
Ich glaube auch nicht, dass politische Wahlen in Deutschland künftig die
Erkenntnisse der Arbeitnehmerbewegung widerspiegeln werden. Im Gegenteil!
Meine Erfahrung sind da ganz anders und ich möchte sie an einem kurzen
Beispiel verdeutlichen:
Ich habe am 18. Februar diesen Jahres in einer großen Berufsbildenden
Schule mit einer Abschlussklasse über die Rolle von Betriebsräten und
Gewerkschaften diskutiert und erschreckende Erkenntnisse gewonnen:
Von 23 Schülerinnen und Schülern wusste gerade mal einer einige Details zum
Thema "Toll Collect", dass am 17. Februar das Tagesthema in Deutschland
war. Sein Vorschlag zur Besserung der Situation hieß: "PRIVATISIERUNG DER
AUTOBAHNEN". 20 andere, die keinen blassen Schimmer hatten, worüber
überhaupt geredet wurde, sahen ihn dann bewundernd an.
Nur einer von 23 wusste, dass seine Eltern eine Tageszeitung abonniert
hatten, konnte aber nicht genau sagen, welche. Fünf kannten die BILD -
bestritten aber den regelmäßigen Konsum.
Keiner hatte jemals um 20.00 Uhr im Ersten die "Tagesschau" gesehen, aber
jeder kannte die "Osbournes" von MTV und Daniel Kübelböck fanden die Jungs
zwar "Scheiße" - aber sie kannten ihn alle. Die Mädels fanden ihn
überwiegend süss.
Diese Generation soll später einmal meine Rente erarbeiten und wegweisende
Zukunftsentscheidungen treffen - da bricht mir der kalte Schweiss aus!!
Dabei kann man den Kids nicht einmal direkte Vorwürfe machen - schließlich
wird jede(r) durch sein Zuhause und seine Umwelt geprägt. Aber es zeichnet
ein ziemlich klares Bild der politischen Realität in Deutschland.
Und in dieser politischen Realität ist es unvernünftig - ja, sogar dumm! -
seinen politischen Führer öffentlich zu demontieren, in dem man Tatsachen
verdreht und glaubt, über die Abwahl dieses Menschen den Kurs zum Besseren
zu wenden.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Gewerkschaftstag im November deutlich
entscheiden wird, wie dieser Kurs sein soll. Er wird darüber hoffentlich
heftig und kontrovers diskutieren - schließlich geht es um unsere Zukunft.
Ich mich werde dabei mit aller Kraft einbringen.
Aber ich bin mir sicher, dass unsere Zukunft nur mit Norbert Hansen
gestaltet werden kann!
Daher fordere ich alle auf, zu einer Sachdiskussion zurück zu kehren, und
damit aufzuhören, zu polemisieren und die Leistungsbereitschaft des
Vorstandes der TRANSNET zu bestreiten. Und ich halte auch gar nichts davon,
sich mit Leuten zu verbünden, von denen bekannt ist, dass sie nicht unsere
Freunde sind.
Wir haben bis November noch viele Gelegenheiten, mit einander zu
diskutieren. Die sollten wir nutzen. Im Interesse der Kolleginnen und
Kollegen, deren Interessen wir vertreten sollen und wollen, im Interesse
unserer Gewerkschaft und in unserem eigenen Interesse.

Glückauf!
Peter Nowack, Betriebsratsvorsitzender
DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH, Werk Bremen

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Das ist die unsere Antwort auf diesen Brief