Beginn der Tarifrunde bei der Bahn:
Fünf Prozent ohne Wenn und Aber?
jW sprach mit Maria Clara Roque-Öfinger,
Mitglied der Eisenbahnergewerkschaft Transnet und Mitbegründerin der Initiative »Bahn von unten«

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F: Für die Tarifrunde 2003 bei der Deutschen Bahn AG fordern die Gewerkschaften Transnet und GDBA Einkommenserhöhungen von fünf Prozent und eine Anhebung der Osteinkommen auf Westniveau. Wie ist die Stimmung an der Basis?

Die Eisenbahner haben für die Privatisierung genug Opfer gebracht. Nach mehreren Jahren des Reallohnverlustes muß jetzt eine spürbare Einkommenserhöhung her. Das Arbeitgeberangebot – Inflationsausgleich und dazu noch eine lange Laufzeit – ist unannehmbar. Die Kundgebung vor der Bahn-Zentrale am 29. Januar hat gezeigt: Die Forderung nach Angleichung Ost an West trifft die Stimmung an der Basis. Es ist nicht einzusehen, daß es nach zwölf Jahren für gleiche Arbeit immer noch nicht den gleichen Lohn gibt.

F: Sind die Forderungen unter Beteiligung der Basis entwickelt worden?

Es gab in den zurückliegenden Wochen in den Bezirken gewerkschaftliche Tarifdialoge, zu denen die Mitglieder eingeladen waren. Bei uns in Frankfurt (Main) wurde dabei auch die Forderung nach einem Sockelbetrag in Höhe von mindestens 100 Euro für alle erhoben. Dafür gab es Beifall. Außerdem soll der neue Tarifvertrag eine kurze Laufzeit haben.

F: Wurde auch über Arbeitszeitverkürzung gesprochen?

Mehrere Diskussionsteilnehmer forderten eine weitere Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, Zielrichtung 35-Stunden-Woche. Tatsache ist: Der Personalbestand im DB-Konzern ist von 355000 im Jahre 1994 auf 212000 Anfang 2002 gesunken, Tendenz sinkend. Der massive Personalabbau hat dazu geführt, daß viele Kollegen riesige Überstundenberge vor sich her schieben.

F: Sie fordern fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt.

Die Forderung bleibt unter den 6,5 Prozent, die ver.di in der letzten Tarifrunde etwa für ähnliche privatisierte Bundesunternehmen wie Post und Telekom gefordert hatte. Ein Kollege hatte sogar neun Prozent gefordert, wie ver.di für die Lufthansa. Fünf Prozent sind schon ein Kompromiß, der ohne Wenn und Aber durchgesetzt werden muß.

F: Bahnchef Hartmut Mehdorn wird das anders sehen.

Mehdorn propagiert seit Monaten, das neue Preissystem der Bahn werde der große Renner und viel Geld in die Kassen spülen. Wenn er seinen eigenen Worten glaubt, dann kann er uns sofort die volle Forderung erfüllen. Wenn nicht – die Friedenspflicht endet am 28. Februar. Die Eisenbahner müssen spüren, daß es die Gewerkschaft diesmal ernst meint mit einem Arbeitskampf. Bei der für März geplanten bundesweiten Gewerkschaftsdemonstration muß es neben der Tarifrunde auch um die aktuelle Bahn- und Verkehrspolitik gehen. Die Zerschlagung der Bahn muß gestoppt werden. Wir wollen keinen Börsengang und keine britischen Verhältnisse.

* Infos im Internet: www.bahnvonunten.de

Erschienen in:
Junge Welt, 31.01.2003

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