Offener Brief an Norbert Hansen:
Kann "konstruktiver Dialog" eine destruktive Regierungspolitik ändern?

 

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Nach Informationen der Tagespresse wollen die Vorsitzenden der drei DGB-Gewerkschaften TRANSNET, NGG und IG BCE im Gegensatz zu ver.di und IG Metall jetzt einen "konstruktiveren Dialog" mit der Bundesregierung führen. Betriebsräte aus den drei Gewerkschaften hätten sich laut Transnet-Meldung hierzu jüngst getroffen. Aus diesem Anlass haben wir den nachfolgenden offenen Brief an den Kollegen Norbert Hansen, Vorsitzender der TRANSNET, verfasst.


Lieber Norbert,

aus der Tagespresse und TRANSNET-Veröffentlichungen erfahren wir, dass wir nach dem Willen unserer Gewerkschaft „in einen konstruktiveren Dialog mit der Bundesregierung eintreten“ sollen und dass unsere Hauptkritik an der Bundesregierung jetzt darin liege,  „dass die Bundesregierung es nicht schafft, von den Beschäftigten Verständnis für ihre Politik zu bekommen“.

Wie „konstruktiv“ ein Dialog mit der Bundesregierung derzeit wirklich sein kann, hängt nach unserer Auffassung maßgeblich davon ab, ob die destruktive Regierungspolitik weiter fortgesetzt wird, die systematisch soziale Errungenschaften der letzten Jahrzehnte abbaut und die Vermögensumverteilung von unten nach oben fortsetzt. Nicht die Art der Vermittlung der Regierungspolitik gegenüber den Beschäftigten ist für uns das Problem, sondern der Inhalt einer Politik, die in weiten Zügen von Unternehmern und konservativen Medien begrüßt und von den arbeitenden Menschen abgelehnt wird.

Kommenden Montag wirst du beim SPD-Gewerkschaftsrat die gewerkschaftlichen Positionen vortragen können. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass viele tausend TRANSNET-Mitglieder am 3. April in Berlin, Köln und Stuttgart für einen grundlegenden Kurswechsel der Regierungspolitik im Interesse der arbeitenden Menschen auf die Straße gegangen sind.

Aktuelle Medienberichte der letzten Tage beziehen sich auf eine Zusammenkunft von Betriebsräten aus TRANSNET, NGG und IG BCE, die eine Initiative für einen stärkeren Dialog mit der Bundesregierung gründen wollen. Wir wissen nicht, welche Betriebsräte dazu eingeladen wurden, wie repräsentativ diese Zusammenkunft war und wer sie organisiert hat. Wir halten es allerdings für dringend geboten, die Öffentlichkeit an die Beschlusslage der jüngsten offiziellen TRANSNET-Bundesbetriebsrätekonferenz in Karlsruhe zu erinnern.

So hat diese Konferenz am 31. März und 1. April 2004 u.a. die folgenden Forderungen an die Politik (als Gesetzgeber und auch als Eigentümer der DB AG) beschlossen:

·         Das alte Kündigungsschutzgesetz mit Stand 2003 soll wieder in Kraft gesetzt werden.

·         Das gesetzliche Renteneintrittsalter soll nicht erhöht werden.

·         Keine Verlängerung des tarifvertraglich festgesetzten Arbeitszeitvolumens eines Vollzeitarbeitnehmers.

·         Erhaltung der Schutzfunktion der Tarifverträge und der Tarifautonomie.

·         Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben Standortsicherung und Ablehnung weiterer Standortverlagerungen.

·         Nein zu jeglicher Form von Ausverkauf, Privatisierung und Börsengang der Deutschen Bahn!

·         Erhaltung einer einheitlichen, flächendeckenden und bundeseigenen Bahn im Interesse der Beschäftigten, Umwelt und Kunden!

·         Die Bundesregierung soll die Börsenpläne sofort ad acta legen und sich von DB-Managern trennen, die weiterhin auf eine teilweise oder komplette Veräußerung der Deutschen Bahn bzw. einzelner Unternehmensteile pochen.

·         Umstrukturierungen im DB-Konzern mit dem Ziel eines Börsengangs sind zu stoppen bzw. rückgängig zu machen!

Wir erwarten von dir, dass du als TRANSNET-Vorsitzender in der aktuellen Diskussion diese Positionen in der Öffentlichkeit vertrittst und gerade auch am kommenden Montag im SPD-Gewerkschaftsrat vorträgst. Es wäre gut, wenn die Basis unserer Gewerkschaft dann unverzüglich über das Ergebnis dieser Gespräche informiert würde.

Wohlgemerkt: keiner von uns wünscht sich eine Regierung Merkel-Stoiber-Westerwelle. Aber wenn die derzeitige Bundesregierung so weitermacht, dann trägt sie (und nicht die Gewerkschaften) die Verantwortung dafür, dass uns spätestens 2006 eine solche Regierung blüht.

Mit kollegialen Grüßen

Für die Initiative „Bahn von unten“
Alfred Lange
02.07.2004
 

 

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  Siehe auch:
Brief des Kollegen
Werner Balschun
an Norbert Hansen
vom Mai 2003