Labour will die privatisierte Bahn wieder verstaatlichen

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Der Parteitag der britischen Labour-Party hat beschlossen, in Großbritannien auch den Bahnbetrieb wieder unter staatliche Regie zu stellen. Deutsche Unternehmerverbände hatten vor einer Woche das britische Beispiel als Vorbild präsentiert. Die Bahnexpertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn sieht in dem Labour-Beschluss eine logische Antwort auf die katastrophalen Folgen jeder Bahnprivatisierung.

Am Mittwoch der vergangenen Woche hatten die Unternehmerverbände BDI und DIHT das britische Beispiel der Bahnprivatisierung als Alternative gegenüber dem Mehdorn-Modell präsentiert. Zwar sei dort der Webfehler gemacht worden, die Trassen zu privatisieren. Richtig sei jedoch gewesen, den Bahnbetrieb an private Betreiber zu vergeben. Die Entwicklung der Verkehrsleistungen im britischen Netz würde dies bestätigen. In Deutschland soll nach dem Willen der Unternehmerverbände zwar das Netz beim Bund bleiben, der Betrieb jedoch ebenfalls privatisiert werden.

Richtig ist, dass die Statistiken ein deutliches Wachstum des britischen Schienenverkehrs vermelden. So stieg im Zeitraum 1994 bis 2000 die Leistung im Personenverkehr um 39 Prozent und im Güterverkehr um 40 Prozent. In der Fachliteratur *) wird die Ursache dafür überwiegend nicht in der Privatisierung, sondern in Faktoren wie der lang anhaltenden positiven Wirtschaftsentwicklung, der Schaffung von Millionen prekärer Jobs mit wachsendem Pendlerverkehr und den überdurchschnittlich hohen Kraftstoff-Preisen gesehen. Während die Zahl der Erwerbstätigen im genannten Zeitraum in Großbritannien um eineinhalb Millionen stieg, stagnierte sie hierzulande.

Dennoch ist die Bilanz der britischen Bahnprivatisierung negativ – für Trasse und Betrieb.

-          Im Bahnbetrieb kam es nicht zu einem „belebenden Wettbewerb“. Vielmehr bildeten sich Gebietsmonopole der privaten Bahnbetreiber. Dabei spielen Bus- und Fluglinienbetreiber (z.B. Stagecoach und Virgin) als neue Bahngesellschaften eine wichtige Rolle. Sie modeln den Bahnbetrieb nach ihren oft spezifischen Interessen.

-          Es kam nicht zum größeren Einsatz von modernem, attraktiven Wagenmaterial. Vielerorts wird mit dem umlackierten Fahrzeugpark der verblichen Staatsgesellschaft gefahren.

-          Statt eines einheitlichen Fahrplans und einem einheitlichen Tarifsystem herrscht Chaos.

-          Die Sicherheitsstandards haben sich deutlich verschlechtert und resultierten bisher in fünf aufeinander folgenden schweren Unfällen.

-          Der Service im Bahnverkehr wird in allen britischen Medien als katastrophal bezeichnet.

-          Schließlich musste der Staat mehr Subventionen für den Schienenbetrieb zahlen als je zuvor an British Rail (1996-2001 umgerechnet 19 Mrd. Euro).

Im übrigen ist die Pleite der Trassengesellschaft Railtrack 2001 nicht zu trennen vom gesamten Schienenverkehr. Bei der Privatisierung der Trasse machten private Investoren Gewinne in Höhe von bis zu zehn  Milliarden Pfund. Bei der Renationalisierung musste der Staat sechs Milliarden Pfund Schulden übernehmen. Nach Angaben der britischen Regierung sind Investitionen in Höhe von umgerechnet bis zu 100 Milliarden Euro erforderlich, um das heruntergewirtschaftete Schienennetz wieder instand zu setzen.

BDI und DIHT sehen den Erfolg in einem Modell, von dem gilt: Operation gelungen, Patient tot.

*) Fachliteratur: Oliver Schöller, Britische Eisenbahnprivatisierung, in: Internationales Verkehrswesen, 1-2/03

BsB-PE-15/04 vom 30. September 2004 – V.i.S.d.P.: Winfried Wolf

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"Wir solidarisieren uns mit Kolleginnen und Kollegen  in aller Welt, die sich in den letzten Monaten und Jahren durch Arbeitskampf gegen eine drohende Privatisierung gewehrt haben. Wir solidarisieren uns mit der Forderung britischer Eisenbahngewerkschaften nach Rücknahme der Bahn-Privatisierung und Wiederverstaatlichung der Bahnen und setzen uns im Rahmen der ITF für eine europaweite gemeinsame Kampagne mit dieser Zielsetzung ein."

Aus dem Antrag der Bundesbetriebsrätekonferenz
an den TRANSNET-
Gewerkschaftstag.

Im Wortlaut:
Der Antrag an den Gewerkschaftstag