14. März 2003
Weltweiter Aktionstag der Eisenbahnbeschäftigten

Internationale Gegenwehr statt Mitgestaltung bei Privatisierung und Lohndumping

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Kolleginnen! Kollegen!
Wenn Nadelstiche nicht ausreichen: Vollstreik!

Die Warnstreiks der letzten Tage haben gezeigt: Die Stimmung der EisenbahnerInnen nähert sich dem Siedepunkt. Wir haben jahrelang Opfer gebracht - jetzt ist Schluss. Die KollegInnen sind kampfbereit. Aber viele sagen auch: entweder richtig oder gar nicht. Die nächsten Tage sind entscheidend: Bei der Verhandlungsrunde am 14. März, dem weltweiten Aktionstag der Eisenbahnbeschäftigten, dürfen wir uns vom Bahnvorstand nicht mit Almosen abspeisen lassen. Die 5 Prozent-Forderung ist schon ein Kompromiss, der erkämpft werden muss. Die Anpassung Ost an West ist längst überfällig, sonst kommt es zur Anpassung West an Ost.

Lassen wir uns durch Meldungen über Gewinneinbußen und verächtliche Pressekommentare, die die Öffentlichkeit gegen uns aufbringen sollen, nicht von berechtigten Forderungen abbringen. Die Verantwortlichen für die Misere der Deutschen Bahn sitzen in den Chefetagen, in Politik und Wirtschaft. Sie haben durch Entscheidungen zum Nutzen der Privatisierungslobby Verluste und Mehrkosten in Milliardenhöhe sowie große Unzufriedenheit unter der Bevölkerung (den Bahnkunden) produziert. Sie fahren die Bahn gegen die Wand. Und dafür sollen wir opfern!?!

Statt verzettelter Streiks bundesweit: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!“ Die Einpeitscher der „Bahnreform“ müssen für die Milliarden, die sie verprasst haben, Rede und Antwort stehen.

An die Adresse der Bundesregierung richten wir die Forderung: Schluss mit einer Verkehrspolitik, die weder „rot“ (arbeitnehmerfreundlich) noch „grün“ (umweltverträglich) ist. Schluss mit dem Blankoscheck für das Bahnmanagement. Wir wollen keinen Börsengang, und wir wollen kein Management, das ohne Rücksicht auf Verluste die Eisenbahn in Deutschland zersplittert und verhökert.

Nur wer zum Streik bereit ist und den Worten Taten folgen lässt, wird gehört und findet ein Echo. Daher: keine faulen Kompromisse! Kein Einknicken in den Tarifverhandlungen! Holen wir die geballte Faust aus der Tasche! Lassen wir uns nicht einzeln wie die Lämmer zur Schlachtbank führen! Mit jedem Tag ohne entschlossenen Abwehrkampf bleiben mehr und mehr KollegInnen auf der Strecke!

Wenn Unternehmer und ihre Medien und Politiker über angeblich „zu viel Gewerkschaftseinfluss“ herziehen, um ihre Sonderinteressen mit Brachialgewalt voll durchzuboxen, dürfen wir ihnen nicht entgegenkommen und klein beigeben. Wenn sie den großen Konflikt – die Zerschlagung oder „Sanierung“ der Bahn – provozieren, dann sollten wir uns darauf einstellen. Es geht nicht nur um unsere Arbeitsplätze!

Einheitliches Handeln aller Eisenbahner! Kein Sonderweg und Standesdenken einzelner Berufsgruppen!  Dies wäre ein Rückfall um weit mehr als ein Jahrhundert!
Die Bahn ist ein ganzheitlicher Organismus, der sicher funktioniert, wenn er nicht zerhackt wird. Zu einem reibungslosen Betriebsablauf gehören Lokführer, Stellwerker, Rangierer, Reinigungskräfte und Zugbegleiter ebenso wie die Kolleg(inn)en in Reisezentren, Werken, Energieversorgung, Zentralen, Service Points und allen anderen Bereichen untrennbar zusammen. Doch die Unternehmerseite hat es gern, wenn wir EisenbahnerInnen gespalten sind. Jeder Versuch, egoistische Sonderinteressen zu vertreten und einzelne Berufsgruppen in einem Spaltungstarifvertrag zu bevorzugen, schadet den Interessen der Eisenbahner. Daher: nein zum demagogischen Sonderweg von GDL und Schell!

Die Basis der drei Bahn-Gewerkschaften muss von unten eine kämpferische Linie durchsetzen und darf sich nicht auseinanderdividieren lassen. Wir fordern: Bündelung der Kräfte und keine Verzettelung. Die Aussetzung des Beschlusses über den Ergänzungstarifvertrag für DB Regio durch den Transnet-Hauptvorstand im Dezember 2002 zeigt, dass Basisproteste etwas bewirken. Diese Chance zum Kurswechsel in Richtung kämpferische Strategie darf nicht wieder vertan werden! Der Flächentarifvertrag löst nicht alle Probleme, aber er erleichtert den Kampf gegen Lohndumping! Wer hofft, durch immer mehr tarifliche Zugeständnisse und reale Verschlechterungen würde bald Ruhe an der Tariffront einkehren, der irrt. Statt ständiger Rückschritte und „Salamitaktik“ brauchen wir einheitliche Tarifbestimmungen für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen. Für Anhebung des Grundlohns und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. 35 Stunden-Woche für alle sofort als Einstieg in weitere Arbeitszeitverkürzung mit dem Ziel der 30-Stunden-Woche.

In ganz Europa haben Regierungen die Privatisierung und Zerschlagung der Staatsbahnen vorangetrieben. Formaler Vorwand: die EU-Richtlinien zur Deregulierung und Einführung von Wettbewerb im Schienenverkehr. Dahinter stecken handfeste Interessen einiger weniger Profiteure und Rosinenpicker. Für europaweite Aktionseinheit aller Gewerkschaften gegen Privatisierung öffentlicher Dienstleitungsunternehmen, gegen Deregulierung sowie Zerschlagung von Tarifverträgen und Sozialstandards.

Durch einen europaweiten Aktions- und Streiktag wollen wir den Regierungen signalisieren: wir lehnen Privatisierung und Lohndumping entschieden ab!

In Großbritannien, wo dieser Weg tagtäglich unendliches Chaos und Schaden anrichtet, fordern nicht nur die Gewerkschaften, sondern drei Viertel der Bevölkerung die Wiederverstaatlichung der Eisenbahnen. Eine Zukunft im Interesse von Mensch und Umwelt, von Eisenbahnern, Kunden und Allgemeinheit hat die Bahn nur in öffentlicher Trägerschaft und als einheitliches Ganzes - ohne Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Beschäftigten und der Allgemeinheit. Statt Bevormundung durch praxis- und bahnferne Manager und Unternehmensberater sollten wir EisenbahnerInnen selbst unsere Kompetenz zum Zuge bringen und Kontrolle im eigenen Unternehmen ausüben.

Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!

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Unser Flugblatt zum 14. März 2003 als pdf-Datei zum Ausdrucken und weitergeben!