Und das soll für uns ein Vorbild sein?
Chaos auf britischen Schienen:
Privatisierung ist tödlich

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Nur ein Jahr nach der Katastrophe von Paddington hat das schwere Unglück in Hatfield nördlich von London im Oktober 2000 wieder schlaglichtartig den miserablen Zustand der privatisierten britischen Eisenbahnen deutlich gemacht. Viele Eisenbahner befürchten weitere Entgleisungen, Kollisionen und Todesopfer. Nachfolgend ein Artikel eines britischen Kollegen.

Nach dem neuerlichen Unglück mußte der Chef des privatisierten Netzbetreibers Railtrack, Gerald Corbett (Jahresgehalt: 400.000 Pfund), zurücktreten. Allerdings - ein Rücktritt an der Spitze und die Ersetzung eines üppig bezahlten Managers durch einen anderen wird die Probleme nicht lösen. Das Problem liegt nicht in der Inkompetenz einzelner Führungspersonen, sondern in der Jagd privatisierter Eisenbahngesellschaften nach kurzfristigem Profit zu Lasten von Personal, Sicherheit und Servicestandards. Ein Unglück kann vielleicht noch als Betriebsunfall dargestellt werden. Bei mehr als einem läßt sich vielleicht noch diese oder jene Ursache finden. Wenn aber ständig Störungen an den Signalanlagen auftreten, die Bahngesellschaften keine wirklichen Investitionen in die Sicherheit mehr vornehmen und auf heruntergekommenen Strecken Entgleisungen vorprogrammiert sind, dann ist etwas Grundlegendes nicht in Ordnung. In der Tat hat die Auspaltung in viele privatisierte Gesellschaften zu viele Gremien und Vorstände und zu wenig Investitionen mit sich gebracht, hohe Privilegien für Führungskräfte und zu wenig Planung und Koordinierung. Die Beschäftigten haben nichts zu melden, und die Fahrgäste mit ihren Bedürfnissen auch nichts.

Selbst Gerald Corbett hat im August in einem Fernseh-Interview diese Probleme offen angesprochen:
„Die Privatisierung hat die Eisenbahn auseinandergerissen, und die Struktur, die dann an deren Stelle kam, war darauf ausgerichtet, wenn wir mal ehrlich sind, maximale finanzielle Erlöse zu erzielen" (O-Ton Corbett in Newsnight auf BBC 2).

Railtrack hat seit der Privatisierung 1,5 Milliarden Pfund Gewinn gemacht. Die meisten Investitionen wurden in die Renovierung von Personenbahnhöfen und Ansiedlung von Läden und Restaurants auf bisherigen Bahnflächen gesteckt. Jeder Bahnkunde erlebt es: Züge haben Verspätung oder werden gestrichen, das Rollmaterial ist heruntergekommen, die Strecken sind nicht sicher - aber man kann sich ja die Wartezeiten im Bahnhof mit einem Cappucino versüßen.

Nur zwei Tage nach der Katastrophe von Hatfield kam es zwischen Birmingham und Manchester zu einer neuerlichen Entgleisung. Durch den schlechten Zustand der Strecken gibt es jetzt auf 1000 Meilen Länge an 81 Stellen Langsamfahrstrecken. Viele Fahrten können sich dadurch um bis zu eine halbe Stunde verzögern. Doch das ist noch nicht alles: da viele Bahnhöfe im Grunde die Menge der fahrplanmäßigen Züge nicht verkraften können, droht ein Chaos auf britischen Schienen. Und Langsamfahrstrecken allein reparieren noch keine schadhaften Streckenabschnitte. Dazu wäre ein massives Investitionsprogramm erforderlich. Doch zur Finanzierung aus ihren Taschen sind die Eigentümer der privatisierten Bahngesellschaften, die binnen weniger Jahre zu Millionären geworden sind, nicht bereit. Also werden unter diesen Bedingungen die Kunden - durch höhere Fahrpreise - und die Allgemeinheit - durch Subventionen - für die Kosten aufkommen müssen.

Die Erfahrungen machen deutlich: die Sicherheit von Fahrgästen und Personal ist beim Management von Railtrack, regionalen Betreibergesellschaften oder anderen Bahngesellschaften in schlechten Händen.

Wir brauchen eine Kontrolle durch Beschäftigte und Fahrgäste über Sicherheit, Planung, Investitionen und Koordination. Aber Kontrolle setzt Eigentum voraus. Daher ist der Knackpunkt die Frage: wem gehört die Bahn? Es ist jetzt allgemein in aller Munde, dass die Bahnprivatisierung katastrophale Auswirkungen hatte. Wenn wir dies noch länger mit ansehen, dann wird der Service immer schlechter. Ganz egal, welche Person zu üppigem Managersalär die Privatunternehmen führt: die Bahnen müssen wieder zusammengeführt, mit massiven Investitionen modernisiert und demokratisch kontrolliert und verwaltet werden. Selbst in der früheren Staatsbahn, in der Beschäftigte und Kunden nichts zu sagen hatten, gab es nicht diese fatalen Koordinierungsmängel durch eine Aufsplitterung des Betriebs in hundert verschiedene Einzelunternehmen. Die meisten Menschen sind jetzt davon überzeugt, dass eine Rückkehr zur Staatsbahn besser wäre als jeder Versuch, mit dem gegenwärtigen Fiasko weiter zu machen.

Labour hatte jahrelang versprochen, die Eisenbahn wieder in öffentliches Eigentum zu überführen. Doch die Regierung stellt sich jetzt gegenüber Verstaatlichungsforderungen taub. Aber wenn schon Wiederverstaatlichung, dann nicht mehr mit üppigen Salären wie für die jetzigen Privat-Manager. Kompetenz ist gefragt - die Kompetenz der Kunden und vor allem die der Eisenbahner(innen). Denn die Praktiker wissen, was zu tun ist und wie es anzustellen ist - im Gegensatz zu den abgehobenen Direktoren, denen Profit wichtiger ist als Sicherheit.

Wir brauchen eine wieder vereinigte Bahn in öffentlichem Eigentum und unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung wie auch ein voll integriertes öffentliches Verkehrswesen. Nur so kann den Bedürfnissen von Eisenbahner(inne)n und Fahrgästen und der Sicherheit und dem Umweltschutz entsprochen werden und können neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

n Für die Wiederverstaatlichung der Eisenbahnen!

n Keine üppigen Entschädigungen und Abfindungen für Manager - außer bei erwiesener Bedürftigkeit!

n Eine Staatsbahn unter demokratischer Kontrolle! Aufsichtsräte zu gleichen Teilen aus Vertretern von Beschäftigten, Fahrgastverbänden und Regierung!

n Für ein voll integriertes Verkehrswesen in öffentlichem Besitz!

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Siehe auch:
Paddington und das britische Privatisierungsdesaster