Schweißauspressung:
„Carmen“ ist unmenschlich
Ein Kollege berichtet:

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"Carmen" ist die Bezeichnung für die neue Planungssoftware der Firma Carmen Systems AB. Es handelt sich um ein rechnergestütztes System zur Erstellung von Dienstplänen. Erprobt wird es in den Einsatzstellen Fulda, Kassel und Leipzig. Wobei die Gesamtleitung während der Erprobungsphase wohl in Leipzig liegt. Das System gilt momentan für ZUB, soll dann aber auch auf andere Bereiche des Fahrdienstes ausgeweitet werden.
Carmen funktioniert so: Geplant wird für einen Monat (bisher war das Fahrplanjahr das Dienstplanjahr). Der Mitarbeiter kann nach einem "Wunsch-Budget" Ruhetagewünsche eingeben.  Es gelten drei Stufen: 1 = weniger wichtig; 2 = wichtig; 3 = sehr wichtig. Je vollständige Planungswoche erhält der Mitarbeiter 2 Punkte als Budget. Das macht ein 8-Punkte-Wunschkonto, das nicht überschritten werden darf. Garantien für die Erfüllung geäußerter Wünsche gibt es nicht. Mit dem Plan für die nächste Planungsperiode erhält der Mitarbeiter auch die Vorschau für die übernächste Periode. Allerdings weiß er nicht, um welche konkreten Leistungen es sich handelt. Er lebt also im Ungewissen.
Carmen soll die Mitwirkung der Mitarbeiter an der Einsatzplanung erhöhen. Tatsächlich bewirkt es aber das Gegenteil. Auf längere Sicht wird die Ebene der Fahrmeister wegrationalisiert. Frankfurt setzt den gesamten ZUB-Bestand der DB-AG ein. Es können sich Pläne ergeben, die die Einsatzstellen durch das gesamte Netz wirbeln und die Leistungen so zusammenstellen, daß die Freizeit des ZUB reine Übergangszeit von einem Leistungskomplex zum anderen ist. Es ist wie bei einer "Armee": die Truppen werden zentral an bestimmte Frontabschnitte verlegt. Es entsteht ein rein operatives System, dessen Sinn die Personalreduzierung durch Ausnutzung der Jahresarbeitszeitregelung ist. Damit sind Auswirkungen auf Tarif- und Arbeitsverträge möglich. Da Carmen streng nach dem Zeitfaktor plant, bedarf es konsequenter Kontrolle durch die Belegschaft. Angeblich ginge die bisherige Praxis der Genehmigung von Dienstplänen durch die Betriebsräte nicht verloren. Das bedeutet, es müßten in jedem Monat alle Einsatzpläne, die ja nun individuell sind, geprüft und genehmigt werden. Die Anzahl der Mitarbeiter ist gleich der Anzahl der Pläne und somit gleich der Anzahl der Genehmigungen. Das macht deutlich, daß die Grundsätze der Planung das eigentliche Objekt der Prüfung sein müssen und die ständige Korrektur des Programms unter dem Gesichtspunkt seiner physischen Unzulässigkeit zu fordern ist. Carmen berücksichtigt ja nur die Effektivität des Einsatzes nach Arbeitszeitregelung (Dienstdauervorschrift). Wegezeiten (Mitarbeiter kommen in Leipzig aus Magdeburg, Dresden, Chemnitz; in Berlin aus Stralsund und Cottbus) blieben zunächst unberücksichtigt. Das führte zu starken Protesten. Die Übergangszeit wurde auf 11 Stunden erhöht. Das hat wiederum nachteilige Auswirkungen auf die Ruhetage. Ein Teufelskreis.
Carmen ermöglicht es, den Jahresfahrplan aufzuheben. Es führt zu einer enormen Zentralisierung und ist m. E. ein regelrechtes System der Schweißauspressung.
Demokratisch war seine Einführung nicht. In Leipzig wurde eine vom Betriebsrat geschaffene AG durch Leitungsentscheid wieder aufgelöst. Je mehr schon erkämpftes Arbeitsrecht abgebaut wird, desto unmenschlicher wirkt Carmen.
Beachten muß man aber, daß Carmen natürlich unterschiedlich bewertet wird und nur wenige Kollegen den Mund aufmachen. M. E. wird sich aus Carmen ergeben, daß die Leistungen zu echten Rundreisen (mit dem entsprechenden Nachtschichtanteil) gekoppelt werden - wie wir das ja bei der Mitropa schon beobachten können. Das System ermöglicht die Auflösung von Einsatzstellen zum Preis des physischen Verschleißes der Mitarbeiter.
Mit Carmen kann man das DB -Personal an Fremdfirmen verleihen.

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