Eisenbahner gegen jede Form von Ausverkauf der Bahn
Bericht von der Bezirksbetriebsrätekonferenz Hessen/Rheinhessen

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Bei der Bezirksbetriebsrätekonferenz des Transnet Bezirks Hessen/Rheinhessen am 7. Oktober 2003 in Frankfurt (Main) wurde deutlich: große Teile der Basis fordern einen kämpferischen Kurs der Gewerkschaft gegen Sozialabbau, Privatisierung und Zerschlagung des Bahn-Konzerns.

In zahlreichen engagierten Diskussionsbeiträgen brachten Betriebsräte aus allen Unternehmensbereichen ihre Verärgerung über den von Bahnchef Mehdorn anvisierten stückweisen Verkauf des DB-Konzerns an private Kapitalgruppen zum Ausdruck.

„Man hat das Gefühl, daß die Bahn an die Wand gefahren wird. So darf es nicht weitergehen“, gab eine Diskussionsrednerin zu bedenken. Betriebsräte aus dem Güterbereich (früher DB Cargo, jetzt Railion) berichteten, daß aufgrund des vom Bahn-Management herbeigeführten Personalabbaus und Lokführermangels in den letzten Woche viele Güterzüge nicht planmäßig rollen konnten: „Einerseits soll mehr Verkehr auf die Schiene gebracht werden, andererseits wird die wegen des niedrigen Wasserstandes auf den Flüssen kurzfristig gestiegene Nachfrage nach Güterzügen mangels Personal nicht verkraftet. Das ist das Ergebnis der ‚Schlankheitskur’, die im Hinblick auf Kapitalmarkt- und Börsenfähigkeit verordnet wurde. Diese Bahnpolitik ist ein volkswirtschaftlicher Wahnsinn“, brachte es ein weiterer Redner auf den Punkt.

„Wir sehen uns auf den Abgrund zubewegen und bewegen uns immer weiter dahin. Und da sollen wir als Gewerkschaft nur kritisch begleiten? Das ist doch zu wenig. Nur auf Wirtschaftsausschüsse, auf Mitbestimmung setzen, verhindert keine Verlagerungen und keine Betriebsübergänge.“, gab eine Delegierte zu bedenken.

Railion-Betriebsrat Alfred Lange brachte es auf den Punkt und traf damit die Stimmung der meisten Delegierten: „Die Gewerkschaft darf nicht nur kritisch begleiten. Sie ist die Kampforganisation der abhängig Beschäftigten“, erklärte er unter starkem Beifall.

Die Konferenz beließ es nicht beim „Dampf ablassen“. Unterstützer der Initiative „Bahn von unten“ beteiligten sich nicht nur rege an der Debatte, sondern wurden auch als Delegierte zur Transnet-Bundesbetriebsrätekonferenz gewählt. Ebenso wurde ein aus ihren Reihen eingebrachter Initiativantrag zur aktuellen Diskussion um die Börsenbahn mit der Mehrheit von über 90 Prozent der Delegierten verabschiedet. Der Antrag wird an den Hauptvorstand und die Bundesbetriebsrätekonferenz weitergeleitet.

Während sich offizielle Transnet-Erklärungen in den letzten Wochen mit einem „Nein, aber...“ gegen einen überhasteten Börsengang ausgesprochen haben (für Norbert Hansen ist es, „unvorstellbar, bereits in diesem Jahr einen konkreten Fahrplan für einen Börsengang festzulegen“), fordern die Betriebsräte in ihrer Entschließung ein grundsätzliches und eindeutiges „Nein“ zu jeglicher Form von Börsengang, Ausverkauf und Privatisierung. Sie erinnern den Vorstand an den Beschluß des letzten Transnet-Gewerkschaftstages im Jahre 2000, der sich „für die Erhaltung einer einheitlichen, flächendeckenden und bundeseigenen Bahn“ und grundsätzlich gegen den Verkauf der Bahn an ausländische oder inländische Kapitalgruppen ausgesprochen hatte! Bei 102 anwesenden Delegierten gab es nur 4 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen. Nachfolgend der Beschluß im Wortlaut:

Initiativantrag:

Nein zum Ausverkauf der Deutschen Bahn! Nein zu Privatisierung und Börsengang!

1.         Diese Konferenz nimmt mit Sorge jüngste Meldungen über einen anstehenden Verkauf von Teilbereichen der DB, einen möglichen Börsengang und die 1994 eingeleitete Privatisierung der DB AG zur Kenntnis.

2.         Wir sagen uneingeschränkt Nein zu jeglicher Form von Börsengang, Ausverkauf und Privatisierung und bekräftigen die in einer Resolution einstimmig beschlossene Forderung des letzten Transnet-Gewerkschaftstags in Magdeburg im November 2000:
“Für die Erhaltung einer einheitlichen, flächendeckenden und bundeseigenen Bahn im Interesse der Beschäftigten, der Umwelt und der Kunden. Kein Börsengang! Kein Ausverkauf - weder an ausländische noch an inländische Kapitalgruppen!“

3.         Wir fordern die Bundesregierung auf, sämtliche Börsen- und Veräußerungspläne sofort ad acta zu legen bzw. zu entsorgen. Sollte das DB-Management demgegenüber weiterhin auf eine teilweise oder komplette Veräußerung der Deutschen Bahn bzw. einzelner Unternehmensteile pochen, so hat der Eigentümer Bund hieraus unverzüglich Konsequenzen zu ziehen und sich von diesen Herrschaften zu trennen. Es darf nicht sein, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt.

4.         Alle Umstrukturierungen, die im DB-Konzern mit dem Ziel eines Börsengangs bzw. Verkaufs vorgenommen werden, Unsummen verschlingen und die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner von ihren eigentlichen Aufgaben abelnken, sind sofort zu stoppen bzw. rückgängig  zu machen. 

5.         Die Bundestags-Fraktionen der Regierungskoalition und insbesondere die Abgeordneten mit gewerkschaftlichem Hintergrund werden aufgefordert, entsprechend Druck auf die Bundesregierung auszuüben und sich in diesem Sinne klar zu positionieren.

6.         Der Transnet-Hauptvorstand wird aufgefordert, zur Bilanzierung der bisher erfolgten Privatisierungen und ihrer Auswirkungen auf allen Ebenen Konferenzen betroffener Gewerkschaften aus Bahn, Post, privatisierten kommunalen Eigenbetrieben (wie etwa Stadtwerke, Nahverkehrsbetriebe. Entsorgungsbetriebe) etc. einzuberufen. Dabei sollen u.a. die zu Lasten von Arbeitnehmern und Allgemeinheit entstandenen Folgen und gewerkschaftliche Strategien zur Rücknahme erfolgter Privatisierungen beraten werden.

7.         Wir solidarisieren uns mit Kolleginnen und Kollegen  in aller Welt, die sich in den letzten Monaten und Jahren durch Arbeitskampf gegen eine drohende Privatisierung gewehrt haben. Wir solidarisieren uns mit der Forderung britischer Eisenbahngewerkschaften nach Rücknahme der Bahn-Privatisierung und Wiederverstaatlichung der Bahnen und setzen uns im Rahmen der ITF für eine europaweite gemeinsame Kampagne mit dieser Zielsetzung ein.

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