Türöffner Beck

 

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Die Weichenstellung der SPD für eine 24,9-prozentige Teilprivatisierung der neuen Bahn Transportholding hat wenig mit einer Sachentscheidung über eine soziale und ökologische Bahn- und Verkehrspolitik zu tun.

Als sich ein angeschlagener Kurt Beck nach zweiwöchiger Krankheit wieder auf dem Berliner Parkett zurückmeldete, berichteten Insider, dass er sich mit seinen innerparteilichen Widersachern und Stellvertretern im Parteivorsitz, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, auf einen Deal geeinigt habe.

Für deren Zusage, die Führungsrolle Becks in der Partei nicht mehr in Frage zu stellen, verlangten die Minister die Zusage des Pfälzers, beim umstrittenen Thema Bahnprivatisierung dem Druck der Parteilinken nicht nachzugeben. Dass eine breite Mehrheit der SPD-Mitglieder, 11 von 16 Landesverbänden und zwei Drittel der Bevölkerung die Bahnprivatisierung ablehnen, hat für die Minister nie eine Rolle gespielt.

Ganz offensichtlich hat sich Beck an die Abmachung gehalten und nach jahrelangem Tauziehen die Tür zur Bahnprivatisierung endgültig aufgestoßen. „Das Wegducken vor den sozialen Herausforderungen unserer Zeit ist symptomatisch für eine Schwundform des Liberalismus, die politische Freiheit mit Privatisierung verwechselt“, hatte der SPD-Chef noch letzten Juni in der FAZ geschrieben und damit bei manchen Parteilinken und Gewerkschaftern neue Hoffnungen ausgelöst. Das von Beck abgesegnete Holdingmodell kommt indes den Konservativen und Liberalen so weit entgegen, dass die FDP jetzt feststellte, Beck habe das von den Liberalen Rainer Brüderle und Horst Friedrich am Sonnabend angeregte Privatisierungsmodell aufgegriffen.

Obwohl beim Hamburger SPD-Bundesparteitag im Oktober 2007 die privatisierungskritische Stimmung unüberhörbar war und Beck nur mit Mühen und Tricks ein „Nein“ zum Bahn-Ausverkauf verhindern konnte, deuten die sozialdemokratischen Privatisierungs-Protagonisten ihr Modell nach allen Regeln der Kunst als „Erfolg“ und mit dem Willen der Parteibasis „kompatibel“ um. Sie erklären, dass mit den Privatisierungserlösen endlich Geld in die Kassen komme, um Netz- und Bahnhofsausbau, Kundenfreundlichkeit, Energieeffizienz und Lärmschutz bei der Bahn durchzusetzen. Dabei klagen Eisenbahner seit langem, dass in allen Bereichen des Konzerns auf der Jagd nach Börsenfähigkeit dringend erforderliche Investitionen und Reparaturen zurückgestellt werden, weil man künftigen Investoren schwarze Zahlen vorzeigen will.

Dass Beck ohne größeren Aufschrei der Basis jetzt als Türöffner der Bahnprivatisierung in die Geschichte eingehen könnte, ist aber auch der wachsweichen Haltung vieler SPD-Linker geschuldet. Mit der Idee von stimmrechtslosen Vorzugsaktien („Volksaktien“), machte der Privatisierungskritiker Hermann Scheer (und die von ihm beeinflusste Andrea Ypsilanti) die Idee salonfähig, dass überhaupt Bahnaktien verkauft werden müssten. Beck und Co. griffen dies in Hamburg gerne auf – mit dem jetzt bekannten Ergebnis. Warum der Staat in jüngster Zeit rund 20 Milliarden für die Rettung von Banken aufbringen kann, nicht aber wenige Milliarden für die Sicherung einer öffentlichen Bahn, dürfte in der SPD-Arbeitsgruppe Bahn keine Rolle gespielt haben. Parteivorstandsmitglied Hermann Scheer nennt das SPD-Modell einen „konstruktiven Kompromiss“, der dem Bund „großen öffentlichen Einfluss“ sichere. Weite Teile der SPD-Linken dürften jetzt klein beigeben und still halten und dies damit rechtfertigen, dass sie den „nach links offenen“ Kurt Beck nicht „beschädigen“ wollen. Unter solchen Umständen ist ein Sonderparteitag zur Bahnprivatisierung fraglich. Allerdings lassen profilierte sozialdemokratische Privatisierungsgegner wie Ex-MdB Peter Conradi und der Mannheimer Abgeordnete Lothar Mark jetzt nicht locker und fordern den SPD-Parteirat auf, die Teilprivatisierung abzulehnen und auf einen Sonderparteitag zu bestehen.

Zudem könnte Beck, der sich nach dem Privatisierungsdeal von bürgerlichen Medien ob seiner„Führungsstärke“ loben lässt, jetzt als SPD-Chef von Steinbrücks Gnaden möglicherweise die Chance für eine Stärkung des sozialeren Profils der Nach-Schröder-SPD endgültig vermasselt haben.

Nach der Vorstellung der Parteiregie soll der SPD-Parteirat am kommenden Montag für die Privatisierung grünes Licht geben. Zuvor wird sich am Wochenende noch der Bundeskongress der SPDArbeitgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) mit der Frage befassen. Den Delegierten liegen Anträge der Bezirke Hamburg, Hessen-Süd, Berlin und Weser-Ems vor, die jede Form der Bahnprivatisierung ablehnen. Die AfA hätte es somit noch in der Hand, durch einen Aufschrei der Empörung und im Bündnis mit anderen Privatisierungskritikern den Privatisierungszug abzubremsen.

Der Transnet-Vorsitzende Norbert Hansen, selbst Mitglied der SPD-Arbeitsgruppe, begrüßte, dass der Bund Mehrheitsgesellschafter bleibe, eine Sperrminorität privater Anleger verhindert werde und ebenso der Bahn-Konzernverbund geschützt werde. Im Papier der SPD-Arbeitsgruppe heißt es hierzu, dass „per Tarifvertrag“ eine Privatisierungs-Obergrenze von 24,9% und ein Kündigungsschutz festgezurrt werden könnten. Auch der GDBA-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel forderte einen Struktursicherungstarifvertrag, um eine Vollprivatisierung oder Zerschlagung des Konzerns zu verhindern. Demgegenüber erklärt die FDPBundestagsfraktion unverblümt: „Die vorläufige Beschränkung der Investoren auf 24,9 Prozent ist unschädlich, weil die Spielregeln des Kapitalmarkts sofort greifen.“ Auf dem Wege zur Vollprivatisierung der Bahn-Transportsparte und endgültigen Trennung von Netz und Betrieb sei der integrierte Konzern sei „bald schon nur noch eine Fiktion“. Die von der SPD propagierten vertraglichen Sicherungsmaßnahmen seien nur noch „weiße Salbe“ für SPD-Linke und Transnet“, so die Liberalen.

Hans-Gerd Öfinger – www.bahnvonunten.de
15.04.08


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