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Hat der TRANSNET-Vorstand
Angst vor der Basis und vor Pastoren und Marxisten?


Die Bahngewerkschaft TRANSNET setzt sich nach dem Abgang des früheren Gewerkschaftsvorsitzenden und jetzigen Bahnvorstands Norbert Hansen vorsichtig vom Agenda 2010-Kurs ab. So beschloss der jüngste Kongress die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,90 Euro. Vor vier Jahren hatte Hansen noch die Idee eines gesetzlichen Mindestlohns als „Sackgasse“ bezeichnet. Und während vor vier Jahren den Delegierten noch eine heile Welt mit einer Troika aus Bahnchef Mehdorn, dem damaligen Kanzler Schröder und Gewerkschaftsboss Hansen vermittelt wurde, bekamen diesmal Gäste der Eröffnungsveranstaltung gratis das Buch „Die Gerechtigkeitslücke“ des Schröder-Kritikers Ottmar Schreiner überreicht.

Die Bundesregierung möge „im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl die bisherige neoliberale Wirtschaftspolitik aufgeben“, heißt es in einem vom Hauptvorstand beantragten Beschluss des Gewerkschaftstags. Dass diese Forderung nach Abkehr vom Neoliberalismus sich aber nicht auf das größte Privatisierungsprojekt der deutschen Geschichte, den Bahnbörsengang, beziehen soll, wurde noch einmal kurz vor dem Abschluss des jüngsten Gewerkschaftstags in der Debatte über zwei Initiativanträge zur Privatisierung deutlich. Unüberhörbar war dabei auch, dass sich sich die Führung schwer tut mit einer freien Diskussion in der Mitgliedschaft über das Pro und Contra einer Bahnprivatisierung.

In der Gewerkschaft sei Platz für Befürworter und Gegner einer Privatisierung, hatte TRANSNET-Chef Alexander Kirchner mehrfach wiederholt. Nun müsse die Frage mit allen Mitgliedern diskutiert werden, niemand werde dabei ausgegrenzt, versprach der Vorsitzende.

Als jedoch der Privatisierungskritiker Alfred Lange in einem Zusatzantrag die gewünschte mitgliederoffene Debatte konkretisieren lassen wollte, traten unerwartet heftig Widerstände seitens der Kongressregie zu Tage. So kritisierte der Sprecher der Antragskommission, Peter Nowack, vehement Langes Forderung, in Veranstaltungen und Gewerkschaftsmedien Gegner und Befürworter eines Börsengangs gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen. „Da gibt es eine marxistische Friedensgruppe in Norddeutschland mit einem Pastor, der sich gegen die Bahnprivatisierung ausspricht. Sollen wir jedem von außen eine Plattform in unserer Gewerkschaftszeitung geben, die ich mit meinen Beiträgen bezahle? Dazu habe ich keine Lust“, erklärte er. Der Bremer Nowack, der auch Mitglied im Europäischen Betriebsrat der Deutschen Bahn AG ist, hatte schon beim Gewerkschaftstag 2004 gegen einen privatisierungskritischen Antrag polemisiert, den er ein halbes Jahr zuvor auf der TRANSNET-Bundesbetriebsrätekonzerenz noch unterstützt hatte. Er hatte den Antragstellern ein Festhalten an alten Dogmen vorgeworfen; sie hätten immer noch nicht begriffen, dass die frühere DDR an solchen Dogmen untergegangen sei, so Nowack, dem Insider Ambitionen auf ein SPD-Mandat im Europaparlament oder Bundestag 2009 nachsagen. Dafür spricht auch, dass er sich von den Delegierten mit den Worten verabschiedete: „Das war mein letzter Gewerkschaftstag.“

Auf unerwartete Ablehnung stieß auch Langes Forderung, eine für interessierte kompetente Mitglieder offene Kommission zur Aufarbeitung von Privatisierungen in aller Welt einzurichten und enge Kontakte zu Brudergewerkschaften herzustellen. „Ich habe ein Problem damit, wenn Hans Dietrich Springhorn, der sich als Vertreter aller Eisenbahner in der Tagesschau darstellt, Zugang zu dieser Kommission bekommt“, gab Gewerkschaftschef Alexander Kirchner zu bedenken: „Da wird eine Plattform aufgemacht für Leute, die nicht legitimiert sind und uns instrumentalisieren wollen.“ Der gescholtende 59jährige parteilose Hans-Dietrich Springhorn ist Bahn-Sicherheitsingenieur, seit 1967 Jahren Gewerkschaftsmitglied, und hatte als Bahn von unten-Unterstützer jüngst in den ARD-Tagesthemen lediglich in einem Satz festgestellt, „dass viele Kollegen nicht einverstanden sind“ mit der Linie des Gewerkschaftsvorstands in der Privatisierungsfrage. Springhorn wurde – wie einigen anderen gestandenen Basismitgliedern auch – hartnäckig der Zutritt zum Kongress verwehrt, während zahlreiche Spitzenmanager und Arbeitgebervertreter willkommene Ehrengäste waren.

Anders als vor vier Jahren meldete sich der DB-Konzernbetriebsratsvorsitzende Günter Kirchheim diesmal auf dem 18. Ordentlichen TRANSNET-GEwerkschaftstag überhaupt nicht zu Wort. Er hatte zusammen mit dem zurückgetretenen Lothar Krauß im Personalausschuss der DB-Aufsichtsrats für die umstrittenen Bonuszahlungen gestimmt. Während Krauß dafür mit einem Knick in der Karriere büßen musste und auf den Vorsitz verzichtete, blieb Kirchheim kleinlaut und hofft auf das Vergesssen.

Hans-Gerd Öfinger, 28.11.08

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