Volksaktie für die Bahn AG?
Privatisierungsgegner der SPD mit »kompatiblem« Vorschlag 

Von Richard Färber 

 

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Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ist zuversichtlich, sein Modell einer Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG (DB) bis Jahresende unter Dach und Fach zu bringen. Auch führende SPD-Linke setzen nun auf eine »konstruktive Mitwirkung« an der Privatisierung.

Am Montag überraschte die hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti mit ihrem Vorstoß für eine »alternative« und »innovative« Form der Bahnprivatisierung – durch Volks- oder Bürger-aktien. Mit solchen Wertpapieren, so die Sozialdemokratin, könnten Millionen Bahnkunden bis zu 49 Prozent der Anteile am DB-Konzern in Form von stimmrechtlosen Vorzugsaktien erwerben und damit einer Übernahme durch strategische Investoren einen Riegel vorschieben. Für den Weiterverkauf einer Aktie sei die Zustimmung durch den Bahn-Vorstand erforderlich. Außerdem könnte so auch für Eisenbahner ein Stück »Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand« verwirklicht werden.
Das von Ypsilanti in einem Gespräch mit Privatisierungsgegnern verkündete Modell trägt die Handschrift des SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer, der sich als Mitverfasser eines Memorandums gegen die DB-Privatisierung einen Namen gemacht und sich dafür den Unmut der Partei- sowie Fraktionsspitzen zugezogen hat. In dem Papier stellte Scheer gemeinsam mit dem Konstanzer Abgeordneten Peter Friedrich fest: »Für die notwendigen Investitionsmittel ist eine Privatisierung nicht erforderlich.« Scheers mutiges Auftreten hatte die SPD-Basis in den letzten Wochen zu einer Reihe von Beschlüssen regionaler Gliederungen gegen einen Börsengang motiviert. In den Bereich des Möglichen rückte ein Anti-Privatisierungs-Beschluss beim Hamburger Bundesparteitag Ende Oktober. Die Folge wäre die Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens.
Doch mittlerweile schlägt Scheer moderatere Töne an und preist sein Volksaktienmodell als »weitestgehend kompatibel« mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf eines Privatisierungsgesetzes. Beobachter meinen, diese Mäßigung könnte damit zusammenhängen, dass Scheer nach einem Sieg der hessischen SPD bei den Landtagswahlen Ende Januar 2008 Wirtschafts- und Umweltminister in einem Kabinett Ypsilanti werden möchte. Eine Konfrontation mit dem SPD-Establishment über das größte Privatisierungsprojekt der deutschen Geschichte auf dem Hamburger Parteitag und mitten im Hessen-Wahlkampf käme da ungelegen.
Die Signale von Ypsilanti und Scheer kamen auch beim Bundesverkehrsminister an, der nach dem Kabinettsbeschluss am Dienstag erklärte, eine Volksaktie sei im Rahmen des Privatisierungsverfahrens »durchaus möglich«. Allerdings strebt Tiefensee im Schulterschluss mit maßgeblichen Unions-Verkehrspolitikern keine breit gestreute Bahn-Aktie, sondern den Einstieg milliardenschwerer »strategischer Partner« an.
Als Alternative zum Verkauf von Aktien hatte Scheer bislang die Idee einer Anleihe propagiert, mit der vor allem Bahnkunden zu festen Zinssätzen der DB ihr Erspartes für einen begrenzten Zeitraum und mit Anreizen wie einer verbilligten BahnCard zur Verfügung stellen könnten. Die Bahnanleihe wird auch von anderen Privatisierungsgegnern befürwortet. Winfried Wolf vom Wissenschaftlichen Beirat von Attac verweist auf das Vorbild des FC Bayern München, der »als erfolgreichster Fußballclub den Börsengang ablehnt und sich primär über die Geldanlage seiner treuesten Fans und einer FC-Bayern-Sparcard finanziert«.
Jetzt deutet manches darauf hin, dass Scheer die von Privatisierungsbefürwortern betonte »Notwendigkeit« der Aufnahme privaten Eigenkapitals akzeptiert hat. Und dies, obwohl sich die Staatseinnahmen in letzter Zeit verbessert haben und nach Expertenschätzung ohnehin nur einige wenige Milliarden Euro Verkaufserlös bei einem Börsengang zu erwarten sind. Minister Tiefensee und DB-Chef Mehdorn begründen den Einstieg privater Investoren damit, dass die Bahn als Global Player europa- und weltweit Bahnen und Logistikunternehmen aufkaufen müsse.


aus: www.nd-online.de  -  26.07.07

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