Wird der Börsengang verschoben?
Hosen voll statt klare Kante

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Heute, 6. Oktober 2008, erfahren wir, dass Bundesfinanzminister und SPD-Vizechef Peer Steinbrück Zweifel hat, ob der Börsengang der DB ML AG tatsächlich in drei Wochen, also am 27.Oktober, wie geplant stattfinden kann. Wenn ein eingefleischter Neoliberaler wie Steinbrück plötzlich den anvisierten Termin in Frage stellt und offenbar ein Aussetzen der Kapitalprivatisierung prüfen lässt, dann muss die Not sehr groß sein. Steinbrück hatte in den letzten 12 Monaten virtuos die privatisierungskritische SPD-Basis übertölpelt und sein „Holding-Modell“ gegen alle Widerstände durchgeboxt. Nun macht ihm der real existierende Kapitalismus vielleicht noch einen Strich durch die Rechnung.

Inmitten weltwirtschaftlicher Turbulenzen und vor dem Abgrund einer Depression ahnt Steinbrück, dass ihm ein Börsengang auf Teufel komm raus politisch das Genick brechen könnte. Hosen voll statt klare Kante eben. Denn im Wahljahr 2009 würde ihm kaum jemand abnehmen, wozu ein Verramschen der Bahnaktien für wenige Milliarden Euro gut sein soll, während der Bund den Privatbanken, die Unsummen verzockt haben, zig Milliarden hinterher wirft.

Steinbrücks Zweifel sind für die Privatisierungsgegner kein Grund zu Entwarnung, wohl aber eine Ermutigung, um den Widerstand zu verstärken. DB-Chef Mehdorn will den Börsengang unbedingt durchziehen, weil er fürchtet, dass er im Wahljahr keine Chance mehr dazu hat, zumal Privatisierungen in der Bevölkerung unpopulär geworden sind. Mehdorn will unbedingt den Kapitalgruppen, die er an der Hand hat, neue Anlagemöglichkeiten öffnen, auch wenn wir alle draufzahlen. Bald wird sich zeigen, ob „der Schwanz mit dem Hund wedelt“ oder ob der Bund – wie kürzlich auch in Sachen Bedienzuschlag – die Kraft aufbringt und Mehdorn zurückpfeift.

Jetzt muss sich zeigen, was die Privatisierungskritiker in der SPD auf dem Kasten haben und wie ernst es eine Andrea Ypsilanti mit ihrem Anspruch meint, die „neoliberale Manie der Privatisierung zu beenden.“ Schließlich waren die Hessin und ihr Chefberater Hermann Scheer willige Wegbereiter Steinbrücks, als sie vor einem Jahr mit dem „Volksaktien“-Modell die Idee von Bahnaktien salonfähig machten und das „Holding-Modell“ hinterher brav abnickten.

Also: Weitermachen im Widerstand gegen den Börsenwahn!

Von Hans-Gerd Öfinger
6. Oktober 2008

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