Nicht in unserem Namen
Gewerkschaftsspitzen signalisieren freie Bahn für Privatisierer ...
... und setzten sich über unsere Interessen und die eigenen Beschlüsse hinweg

 

Zurück zur Startseite

Wenn die Vorstände der drei Bahngewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL ihre Linie beibehalten, dann hat die Privatisierungslobby ein leichtes Spiel und freie Hand bei der Zerschlagung der Deutschen Bahn (DB AG). Letzten Freitag hat der Deutsche Bundestag in der Haushaltsdebatte „ganz nebenbei“ die Bundesregierung beauftragt, bis März 2007 ein Privatisierungsgesetz vorzulegen und einen ersten großen Privatisierungsschub noch in der laufenden Legislaturperiode vorzunehmen. Doch obwohl das geplante Mega-Privatisierungsprojekt frühere Privatisierungen der letzten 20 Jahre weit in den Schatten zu stellen droht und englische Verhältnisse bringen wird, vermitteln die Gewerkschaften allesamt den Eindruck eines „business as usual“.

Schlimmer noch: Als sich ein Lenkungsausschuss der Großen Koalition am 8. November auf den inzwischen im Bundestag hurtig verabschiedeten Antrag zur Bahnprivatisierung einigte, feierten TRANSNET, GDBA und GDL diese Weichenstellung als Erfolg ihrer Bemühungen und legten den vereinbarten Formelkompromiss jeweils zu ihren Gunsten aus. So zeigten sich TRANSNET und GDBA „zufrieden darüber, dass die politisch Verantwortlichen ein Votum zur Zukunft der Deutschen Bahn AG abgegeben haben“ und „der integrierte Konzern erhalten“ bleibe und „die Gefahr einer Zerschlagung der Deutschen Bahn gebannt ist“. Beide hatten sich im Schulterschluss mit DB-Chef Mehdorn gegenüber der Politik für einen „integrierten Börsengang“ des Konzerns einschließlich der Infrastruktur stark gemacht. Prompt bliesen sie nun die im Oktober sehr zaghaft begonnene Streikbewegung für die Beschäftigungssicherung ab und vereinbarten eine Art Burgfrieden bis nach einem Parlamentsbeschluss über die Bahnprivatisierung. Doch die „Beschäftigungssicherung“ wird spätestens 2010 auslaufen. Sobald die Renditeinteressen privater Investoren oder der Käufer einzelner DB-Teilbetriebe vorherrschen,  drohen Entlassungswellen und Lohn- und Sozialdumping,.

Mit den Worten „GDL-Forderungen wurden erfüllt“, kommentierte auch die Lokführergewerkschaft GDL den Privatisierungskurs der Großen Koalition und sah sich in ihrer Forderung bestätigt, die (weniger renditeträchtige Eisenbahn-Infrastruktur) beim Bund zu belassen und die anderen Tochtergesellschaften der DB AG dafür zu 100 Prozent zu privatisieren. Damit bekräftigte die GDL ihre Vorliebe für das von CDU/CSU und FDP im Schulterschluss mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Privatbahnen geforderte Trennungsmodell.

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, wer mit dem verabschiedeten Formelkompromiss wen über den Tisch gezogen hat. Möglicherweise wurde hinter den Kulissen schon längst ausgemauschelt, wer bei der Privatisierung was abbekommt. So ist denkbar, dass man durch Lostrennung und Vollprivatisierung ganzer Teilbetriebe die BDI-Klientel bedient und gleichzeitig die internationale Expansionsstrategie Mehdorns fährt.

Während viele Gewerkschafter bei Post und Telekom und britische Eisenbahner aus eigenen negativen Erfahrungen ihren Kollegen von der DB dringend von einem Börsengang abraten und auch andere DGB-Gewerkschaften gegen jegliche Bahnprivatisierung eingestellt sind, bleibt der TRANSNET-Vorstand weiter auf Privatisierungskurs. In der jüngsten Sitzung des DGB-Bundesvorstandes Anfang November kam eine klare Beschlussfassung gegen die DB-Privatisierung nur deshalb nicht zustande, weil kein TRANSNET-Vertreter anwesend war und – obwohl die Vorsitzenden von DGB, ver.di und IG Metall zum Votum gegen die Privatisierung bereit waren – kleinere Gewerkschaften darauf drängten, dies nicht ohne TRANSNET zu tun! Demgegenüber hat sich Ende Oktober der Deutsche Bundesjugendring, in dem die Gewerkschaftsjugend Einfluss hat, gegen die Bahnprivatisierung positioniert.

Nachdem jetzt feststeht, dass künftige DB-Großaktionäre nicht an den Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen beteiligt werden sollen, dürfte damit der Einstieg in eine Zerschlagung der Bahn besiegelt sein. TRANSNET hatte für diesen Fall mehrfach mit einer Kampagne für „Plan B“ (Bahn bleibt beim Bund) und sogar mit Streiks gedroht. Davon ist nun keine Rede mehr. Statt „Plan B“ sieht Alfred Lange, Betriebsrat in der Güterverkehrssparte Railion und Unterstützer der Initiative „Bahn von unten“, jetzt einen „Plan Z“ (Zerschlagung) auf die Eisenbahner zukommen. Schon längst bereite das DB-Management auch im Güterverkehr mit der Ausgründung separater Bahngesellschaften etwa für Montangüter, Kombinierten Verkehr, Containerverkehr oder Chemie den Ausverkauf profitabler Tortenstückchen vor, kritisiert Lange.

Hans-Gerd Öfinger

Wirtschaftskrieg der ehemaligen Staatsbahnen

Anstatt mit aller Kraft und Unterstützung des DGB gegen ein Privatisierungsgesetz zu mobilisieren, klammern sich TRANSNET und GDBA, deren Repräsentanten die Arbeitnehmerbank in den Aufsichtsräten des DB-Konzerns besetzen, weiterhin an Konzernchef Mehdorn und dessen Strategie, aus der DB einen „Global Player“ zu machen. Mehdorn möchte nun verstärkt Staatsbahnen und Speditionen in Ost und West sowie S-Bahnen in Prag, Lyon und Stockholm aufkaufen und in einem deutsch-russischen Gemeinschaftsprojekt mit einer Art Bagdadbahn des 21. Jahrhunderts von und bis Wladiwostok und China den Containerverkehr zwischen Europa und Fernost kontrollieren.

In den letzten Wochen hatte der (ansonsten frankophile) DB-Chef auch mit aggressiven Tönen gegen die französische Staatsbahn SNCF und deren Expansionskurs Aufsehen erregt und angekündigt, für 900 Millionen Euro 30 frankreichtaugliche ICE-Züge anzuschaffen, um den französischen „Angriff“ in Form eines Vordringens der SNCF-Hochgeschwindigkeitszüge TGV auf deutsches Territorium „kontern zu können“. Obwohl alle bisherigen Staatsbahnen in Europa (selbst die schweizerische SBB) im Zuge der Liberalisierung einen Expansionskurs eingeschlagen haben und dieser zunehmende Wirtschaftskrieg auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, prangern inzwischen auch TRANSNET-Medien wie das Mitgliedermagazin „Inform“ mit Vorliebe die SNCF als Unternehmen an, die „international expandieren und andere Eisenbahnen niederkonkurrieren“ und zudem „beinhart restrukturieren, Leute rauswerfen und Firmen schließen“. So ist abzusehen, dass sich die TRANSNET-Führung weiterhin an die Rockschöße des DB-Managements hängt, deren Logik „Fressen oder gefressen werden“ schluckt und die Zustimmung zu einem Börsengang und dem Aufkauf anderer Logistikunternehmen in aller Welt ihrer Basis als „Überlebensfrage“ zu verkaufen versucht.

Für einen gemeinsamen europaweiten Widerstand aller Eisenbahner nach dem Vorbild des erfolgreichen Kampfes gegen die europäische Hafenrichtlinie (Port Package) ist dabei offensichtlich kein Platz mehr. Privatisierungskritiker wie die Initiative „Bahn von unten“ in TRANSNET hingegen kennen nur eine fortschrittliche Alternative zum gnadenlosen Konkurrenzkampf: die Vereinigten Bahnen von Europa, einen Verbund demokratisierter Eisenbahnen in öffentlichem Besitz und unter der Kontrolle der Beschäftigten, der Masse der Kunden und der Umweltverbände.

Richard Färber


Lokaler Widerwille (ND 24.11.06)

Wenn es nach dem Willen der Gewerkschaftsvorstände geht, dann hat die Privatisierungslobby bei der Deutschen Bahn AG ein leichtes Spiel und keine Widerstände zu erwarten. Nachdem sich ein Lenkungsausschuss der Großen Koalition am 8. November auf einen ersten großen Privatisierungsschub bis 2009 geeinigt hatte, feierten die drei Bahngewerkschaften Transnet, GDBA und GDL diese Weichenstellung als Erfolg ihrer Bemühungen und legten den vereinbarten Formelkompromiss jeweils zu ihren Gunsten aus.

Dass die Bahnprivatisierung indes nicht nur - wie eine Emnid-Umfrage belegt - bei 71 Prozent der Bundesbürger, sondern auch bei den meisten betroffenen DB-Beschäftigten mit Skepsis bis Ablehnung betrachtet wird, kommt erst allmählich zu Tage. Während die Spitzen der Organisationen weiterhin den Eindruck einer heilen Börsenwelt und sicherer Arbeitsplätze vermitteln, drängen weiter denkende Eisenbahner auf Aktionen und Widerstand. So schlossen sich am 10. November in Hamburg auch aktive Transnet-Mitglieder, Betriebsräte und Vertrauensleute einer Protestdemonstration des Aktionsbündnisses "Bahn für alle" gegen den Ausverkauf DB an. Schon im Sommer hatte sich die Transnet-Ortsverwaltung im badischen Offenburg klar gegen eine Zerschlagung und jede Form der Privatisierung der DB positioniert. In Pforzheim forderte ein örtlicher Transnet-Sprecher im Rahmen einer Jubilarehrung „Konsequenzen aus der Heuschrecken-Debatte“ und äußerte sich laut Bericht in der Lokalpresse gegen einen Börsengang, denn die Bahn dürfe „nicht zum Renditeobjekt privater Anleger werden“. In Göttingen taten sich Transnet und  Attac zusammen und protestierten im Hauptbahnhof gegen einen Verkauf an private Investoren. Die Augsburger Transnet-OV unterstützt das aktuelle Projekt eines kritischen Dokumentarfilms über die Bahnprivatisierung in Deutschland.

Ob aus solchen Ansätzen noch ein größerer flächendeckender Widerstand erwachsen wird, bleibt abzuwarten. Denn es gibt auch auf Gehorsam getrimmte örtliche Transnet-Bevollmächtigte wie denjenigen in einer süddeutschen Großstadt, der auf die Forderung eines Mitglieds nach Aktionen gegen die Privatisierung antwortete, dies sei gegen den Hauptvorstand gerichtet und damit satzungswidrig. In der jüngsten Sitzung des DGB-Bundesvorstandes kam eine klare Beschlussfassung gegen die Privatisierung der DB dem Vernehmen nach nur deshalb nicht zustande, weil kein Transnet-Vertreter anwesend war und – obwohl die Vorsitzenden von DGB, ver.di und IG Metall zum Votum gegen die Privatisierung bereit waren – kleinere Gewerkschaften darauf drängten, dies nicht ohne Transnet zu tun!

Hans-Gerd Öfinger

Zurück zur Startseite

Was geht da vor sich?
Aktuelle Hintergrundartikel und Erklärungen.