Abschiedsbriefe
von Markus Fuß und Armin Duttiné an TRANSNET-Mitglieder

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin am 31.12.2006 bei der TRANSNET ausgeschieden. Meine Motivation zu diesem schweren Schritt ist rein politischer Natur:

  • So halte ich an der Idee der Einheitsgewerkschaft fest. Wer mit dem DGB bricht, der schadet der Arbeiterbewegung in ungeahnter Weise.
  • Es gibt andere Alternativen für die DB AG, als den Börsengang und die Aktivitäten in China und USA. Ein Warnstreik für die Entwicklung eines Unternehmens ist zumindest fragwürdig.
  • Ich halte an der Gegnerfreiheit der Gewerkschaften fest; das beinhaltet auch, dass Gewerkschaften all ihre Aktivitäten und ihre Beschäftigten aus Mitgliedsbeiträgen bezahlen.
  • Ich glaube fest an die internationale Solidarität der Arbeiter. Das ist der Humus der ganzen Bewegung und steht in krassem Gegensatz zum verdeckten Protektionismus der „Unternehmens-wir beherrschen-die-Welt-Philosophie“.
  • Ich glaube an die Kontrollfunktion von Aufsichtsräten. Ich bin der festen Überzeugung, dass Macht Kontrolle braucht, -absolute Macht, braucht absolute Kontrolle.
  • Neben der Tarifpolitik und der gewerkschaftlichen Betriebspolitik, haben Gewerkschaften einen weiteren gesellschaftspolitischen Auftrag:
    • Schaffung der Voraussetzung für die Teilhabe der Menschen am politischen, sozio-kulturellen und materiellen Leben
    • Verteilung von Vermögen / Wertschöpfung
  • Die gewerkschaftlichen demokratischen Gremien müssen ihre Pflichten noch deutlicher wahrnehmen. Dazu gehört auch, Macht zu kontrollieren und Inhalte zu diskutieren, bevor politisch weitreichende Entscheidungen getroffen werden.
  • Ich glaube an die breit angelegte Gliederung politischer Organisationen. Sie verleiht ihr Vielfalt, Demokratie und Stabilität. Diese Gliederungen müssen aber politisch in der Gewerkschaft verankert und von der Gewerkschaft politisch legitimiert sein.

Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für die gute Zusammenarbeit und wünsche euch viel Kraft und Glück.

Euer Markus Fuß


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie Ihr sicherlich bereits erfahren habt, habe ich meine Tätigkeit bei TRANSNET zum Ende des Jahres 2006 beendet.

Ich sehe mich nicht mehr in der Lage, den gegenwärtigen politischen Kurs der Gewerkschaft TRANSNET persönlich mitzutragen. Deshalb musste ich die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Meine Haltung möchte ich an vier zentralen Themen erläutern:

  1. Für eine starke öffentliche Bahn;
  2. Für den Verbleib der TRANSNET im DGB und für eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung;
  3. Für europäische Solidarität;
  4. Für eine offene und transparente Gewerkschaft.

Zu 1. Für eine starke öffentliche Bahn

Die Frage, ob es sinnvoll ist, die DB AG zu privatisieren oder nicht, muss diskutiert und fundiert entschieden werden. Eine Debatte um die Integration oder Trennung von Netz und Transport reicht nicht aus. Zentral ist die Beschäftigungssicherung. Dabei muss den Beschäftigten auch eine Perspektive nach 2010 gegeben werden.

Der Einstieg privaten Kapitals bzw. die Vorbereitung hierzu bedeutet, dass die Unternehmensausrichtung immer stärker auf die Realisierung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen ausgerichtet wird. Die DB AG kann wie andere Bahnen im Schienenbereich in Deutschland nicht einfach ihren Umsatz ausdehnen, da sie stark von Rahmenbedingungen wie der Infrastrukturausstattung, von der Höhe der Steuern und Abgaben sowie von der (Nicht-)Wirksamwerdung ihres Umweltvorteils am Markt abhängig ist. Deshalb ist eine forcierte Kostensenkung die logische Folge, um die anvisierten Zahlen zu erreichen, deshalb bedeutet dies eine noch stärkere Konzentration auf Strecken und Verkehrsrelationen mit hohen Margen und damit die Gefährdung der heute noch auf die Fläche bezogenen Systemleistung der DB AG. Dies bedeutet aber in der Konsequenz genau das Gegenteil von Beschäftigungs­sicherung und humanen Arbeitsbedingungen.

Eines der Versprechen, das mit der Privatisierung verknüpft ist, ist die Erhöhung der Investitionsmittel. Dabei weisen die Investitionsmittel für den Schienenbereich bei der DB AG nicht zufällig mit dem Anstreben der Privatisierung nach unten. Dies ist besonders bei der DB Netz AG der Fall. Hier hat die Bahn die Investitionsmittel gegenüber den staatlichen Mitteln überproportional gekürzt. Auch für die Zukunft sind steigende Investitionsmittel der DB AG trotz angestrebter Privatisierung Fehlanzeige!

Ob die DB AG tatsächlich kapitalmarktfähig ist, sollte kritisch überprüft werden. Nicht unerheblich tragen der Lohnverzicht der Beschäftigten und die kurzfristigen Effekte der Investitionsrückgänge hierzu bei.

Auch kritisch muss überprüft werden, ob die Privatisierung die Einheit des DB-Konzerns nicht erst Recht gefährdet. Die Frage, ob die Infrastruktur in privater oder öffentlicher Hand verbleibt, muss ernsthaft diskutiert werden. Die TRANSNET lebt hier nicht auf einer politischen Insel.

Auch sollte nicht nur formal mit einer Mehrheitseignerschaft des Bundes für die Infrastruktur argumentiert werden. Ein privater Investor wird vermutlich erheblich die unternehmenspolitischen Entscheidungen beeinflussen, auch wenn er formal Minderheitsaktionär ist. Hinzu kommt, dass der Bund sich immer mehr aus der konkreten Gestaltung der Unternehmenspolitik zurückzieht.

Deshalb kann eine 100-ige staatliche Eigentümerschaft  die Probleme allein nicht lösen. Notwendig ist eine konsequente Politik für die Schiene. Andere Länder wie die Schweiz beweisen, dass dies möglich ist. Die EinwohnerInnen der Schweiz fahren trotz der viel kleineren Fläche pro Einwohner mindestens mehr als 50% mehr Bahnkilometer als die EinwohnerInnen in Deutschland, im Güterverkehr hat die Schiene in der Schweiz einen doppelt so hohen Marktanteil wie in Deutschland. Das System in der Schweiz ist weit effizienter als in Deutschland: Wie das PRIMON-Gutachten zur Bahnprivatisierung zeigt, liegen in der Schweiz die staatlichen Leistungen pro Personen- und Tonnenkilometer niedriger als in Deutschland (siehe dort S. 77). In der Schweiz gibt es keine Debatte um die Privatisierung der SBB. Und das ist auch gut so!

Es kommt also stark auf die entsprechende Verkehrspolitik an. In den meisten Politikfeldern herrscht in Deutschland Stillstand, seien es die Themen Mineralöl-, Mehrwert- und Ökosteuer, sei es eine verkehrsverlagernde Lkw-Maut, sei es die Kostenanlastung der nicht erhobenen Umwelt-, Unfall- und Gesundheitskosten oder seien es die Trassenpreise auf der Schiene. Natürlich müssen diese Themen umkämpft werden. Stattdessen wurde sich bei TRANSNET jedoch in letzter Zeit fast ausschließlich auf die Frage Netz und Transport konzentriert – und dies auch noch verkürzt, wie oben aufgezeigt.

Nur eine 100% öffentliche Bahn bietet die Gewähr einer integrierten Bahn. Nur mit dieser Forderung lassen sich breite politische Bündnisse aufbauen. Stattdessen steht die TRANSNET organisationspolitisch mit ihren Forderungen so ziemlich alleine dar.

Ich habe die obigen Argumente bei verschiedenen Gelegenheiten offen bei TRANSNET dargestellt und aus meiner Ablehnung jeglicher Kapitalprivatisierung nie einen Hehl gemacht. Ich bleibe auch weiterhin bei dieser Auffassung.

Zu 2. Für den Verbleib der TRANSNET im DGB und für eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung

Wenn die Ausrichtung der gewerkschaftlichen Organisationspolitik auf die Unternehmenspolitik eines Unternehmens in Deutschland Schule macht, droht das bewährte System von Branchengewerkschaften zerstört zu werden. Dies führt zu weiterer Entsolidarisierung und insbesondere zur Verschlechterung der Situation der Beschäftigten in der Branche.

Eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung muss möglichst unabhängig von der Unternehmensseite sein. Sonst kann sie keine konsequente Politik für die Interessen der Beschäftigten machen. Doch dem nicht genug: Zudem wurde von TRANSNET der Kontakt zu gelben Gewerkschaften außerhalb des DGB und des Beamtenbundes gesucht und das in einer Zeit, in der andere DGB-Gewerkschaften mit diesen gelben Gewerkschaften in harten Auseinandersetzungen zur Vermeidung eines Tarifdumpings stehen. Eine solche Strategie kann nicht im Sinne der Beschäftigten sein, denn sie führt letztendlich zur Entsolidarisierung. Da helfen auch keine schönen Namensgebungen etwas.

Wie soll aus einer Zusammenarbeit mit bekannten gelben Gewerkschaften aber Kraft entwickelt werden?

Meiner festen Überzeugung nach bedeutet Einheit Stärkung und Spaltung Schwächung der Arbeiterbewegung. Die Einheit des DGB ist ein wesentliches Element für die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung im Sinne der Beschäftigten in Deutschland und muss deshalb verteidigt werden!

Zu 3. Für europäische Solidarität

Die Liberalisierung des Schienenverkehrs hat keine neuen Arbeitsplätze und nicht mehr Verkehr auf die Schiene gebracht und wird dies auch in Zukunft nicht tun, wenn sich an den ungünstigen Rahmenbedingungen für die Schiene nichts ändert. Der aktuelle Wettbewerbsbericht der DB AG führt auf S. 25 die Gründe hierzu auf (Margenverfall durch Wettbewerb, dadurch sinkende Wirtschaftlichkeit insbesondere des Einzelwagenladungsverkehrs, dadurch Verlust von Frachtverkehren, dadurch Auslösung einer Abwärtsspirale, im Ergebnis Verlust von Marktanteilen für die Schiene).

Die Sicherung sozialer Standards – Entlohnung, Arbeitszeiten, Lenk- und (auswärtige) Ruhezeiten - ist ein weiteres wichtiges Thema. Es droht ein Dumpingwettbewerb auf der Schiene, wenn hier keine ausreichenden Schutzvorrichtungen existieren. Deshalb ist die Gefahr groß, dass die Liberalisierung vor allem zu Lasten der Beschäftigten geht! Auch ist zu bedenken, dass inländische Unternehmen bei existierender Liberalisierung Arbeitskräfte zu schlechteren ausländischen Bedingungen in Deutschland einsetzen können.

Deshalb ist europäische Solidarität gefordert! Deshalb muss die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) gestärkt werden! Auch in diesem Zusammenhang ist von organisationspolitischen Strategien, die auf ein Unternehmen ausgerichtet sind, zu warnen. Das wäre eine Kampfansage an die europäische Solidarität!

Zu 4. Für eine offene und transparente Gewerkschaft

Die Gewerkschaft mit ihren Gliederungen muss der Kern der politischen Entscheidungsfindung, -strategie und Praxis sein. Hier müssen die Entscheidungen nach demokratischen, offenen und transparenten Prozessen getroffen werden. Eine Zusammenarbeit in Bündnissen darf nicht im Widerspruch zum Zweck einer Organisation stehen. Deshalb ist es sehr bedenklich, dass trotz der absehbaren Nachteile für die Beschäftigten über eine Bündnisorganisation, an der TRANSNET formal maßgeblich beteiligt ist, die Öffnung der Schienenmärkte in Europa gefordert wird. Dies steht im deutlichen Widerspruch zur Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF), in der TRANSNET Schlüsselfunktionen wahrnimmt. Die ETF weist zu Recht ständig auf die abzusehenden Nachteile einer Liberalisierung des Schienenverkehrs für die Beschäftigten hin.

Schlusswort

Ich habe bei TRANSNET viele engagierte und nette Kolleginnen und Kollegen kennen gelernt und gerne mit ihnen zusammen gearbeitet. Vielen Dank dafür! Ich wünsche Euch, lieben Kolleginnen und Kollegen der TRANSNET, persönlich alles Gute!

Gez. Armin Duttiné

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Lest hierzu auch:

"Wir bleiben hier!"
Bahn von unten und die Krise in TRANSNET

Brief an Kurt Beck
und die SPD

Interview
mit Norbert Hansen (pdf)

Gemeinsame Erklärung
von Hansen und Bsirske (pdf)

 

www.bahnvonunten.de